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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gelesen: Everest 1953

Wäre ich ein Lehrer und behandelte im Unterricht die Erstbesteigung des Mount Everest 1953, würde ich dieses Buch zur Pflichtlektüre machen. Viel mehr als der Gipfelerfolg an sich und die Tatsache, dass die Meldung darüber rechtzeitig zur Krönungsfeier von Queen Elizabeth II. in London eintraf, ist im allgemeinen Bewusstsein kaum hängen geblieben. Das dürfte sich nach der Lektüre von „Everest 1953“ ändern. Der Schriftsteller, Filmemacher und Bergsteiger Mick Conefrey hat in bester britischer Reportermanier alle Fakten der Expedition zusammengetragen, die letztlich am 29. Mai 1953 zur Erstbesteigung durch den Neuseeländer Edmund Hillary und den Sherpa Tenzing Norgay führte.

Nicht gentlemanlike

Conefrey schildert detailreich die Begleitumstände der Expedition, die alles andere als geradlinig verlief: Fast wären den Briten die Schweizer 1952 zuvorgekommen. Dann wurde der ursprünglich als Expeditionsleiter vorgesehene große Entdecker Eric Shipton auf eine Weise ausgebootet, die nicht gerade gentlemanlike war. Der neue Mann an der Spitze, der Offizier John Hunt, erwies sich letztlich jedoch als Glücksfall. Es gelang ihm, allen Spannungen und Widrigkeiten zum Trotz eine schlagkräftige Mannschaft an und auf den Everest zu bringen.

Politischer Spielball

Doch auch nach dem Gipfelerfolg wurde nicht nur gefeiert, sondern auch gestritten. Plötzlich wurde Tenzing Norgay zum Spielball politischer Interessen. Nepal und Indien wollten den Sherpa für sich vereinnahmen und den Briten die Erstbesteigung abspenstig machen. Sie lancierten die Behauptung, Tenzing sei vor Hillary am Gipfel angekommen. Auch wenn dies nicht der Wahrheit entsprach, knisterte es gewaltig innerhalb des Expeditionsteams.

Gefährliches Katapult  

Conefrey hat die Geschichte der Expedition 1953 sauber recherchiert und spannend erzählt. Dabei hat er einige Details zu Tage gefördert, die selbst Everest-Fans verblüffen dürften. Schmunzeln musste ich über die skurrilen Vorschläge, die Tüftler und Erfinder vor dem Beginn der Expedition machten. Einer wollte eine Gummischlauchleitung vom Südsattel bis zum Gipfel verlegen, um die Bergsteiger mit Sauerstoff zu versorgen. Ein anderer regte an, mit einem Katapult ein Seil mit Enterhaken über Gletscherspalten hinweg zu schießen. Bei einem Test in London verhinderte nur ein Baum, dass sich der Haken in ein vorbeifahrendes Taxi bohrte. Das Katapult blieb zu Hause.

Datum

26. April 2013 | 9:56

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