Knochenarbeit
Wenn ihr mich heute Mittag gefragt hättet, wie alt ich mich fühle, hätte ich zehn Lenze auf das tatsächliche Alter addiert. Mir fehlte die Luft, die Beine schmerzten, als ich nach dreieinhalb Stunden unseren Lagerplatz 1 auf 5500 Metern erreichte. Was mich beruhigte war, dass der Gesichtsausdruck meiner Bergkameraden ebenfalls von den Strapazen des Aufstiegs zeugte. Bis auf drei gesundheitlich angeschlagene Expeditionsmitglieder waren alle aufgestiegen. Joachim sowie das Ehepaar Brigitte und Helmut Eibl (die beiden wollten eigentlich nicht im Internet erscheinen, haben ihre Vorbehalte aber inzwischen aufgegeben) kurierten sich im Basislager weiter aus.
Der Schein trügt
Der Tag begann mit einer Puja, einer buddhistischen Zeremonie, mit der die Sherpas den Segen der Götter für die Expedition erbitten. Danach machten wir uns auf den Weg. In unsere Rucksäcke hatten wir Material für die Hochlager gepackt: Kochgeschirr und Gaskartuschen, Daunenschlafsäcke und Liegematten, Steigeisen und Klettergurte. Gut zehn Kilo kamen da zusammen. Ich hatte zusätzlich die Satellitenantenne dabei, Herbert das Netbook, um vielleicht doch endlich einen Bericht zu überspielen.
Kleine Steinmännchen wiesen uns den Weg durch das Labyrinth der Gletschermoränen, über kleine und große Steinplatten, meist bergauf, immer wieder aber auch bergab. Wieder schien die Sonne. Keine Wolke trübte den Himmel. Und der Gipfel des Putha Hiunchuli erschien so nah. Der Schein trügt. Am Lagerplatz 1 trafen wir die Mitglieder einer niederländischen Expedition, die vorgestern den höchsten Punkt erreicht hatten. Bei aller Freude über den Erfolg wirkten sie sehr müde. Ihre Zeltplätze können wir jetzt nutzen. Das lästige Planieren entfällt.
Knie singt Klagelied
Nachdem wir unser Material in einem Depotzelt verstaut hatten, versuchte ich wieder einmal vergeblich, ein Satellitensignal zu erhalten. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Das Satellitenunternehmen Inmarsat hat offenbar noch weiße Flecken auf der Landkarte. Ich werde die Berichte also weiter per Telefon übermitteln. Fotos kann ich euch leider nicht bieten, werde sie aber später nachliefern.
Der Abstieg ins Basislager mit fast leeren Rucksäcken war weniger anstrengend. Doch die Knie sangen ein bitteres Klagelied. Pemba hatte bei unserem Koch Meila ein frühes Abendessen bestellt. „Alle sind müde“, befand der Sherpa. Wie recht er hat.