Russisch Roulette
Nicht überall wirken die Berge (wie bei mir am vergangenen Wochenende) als Medizin. Ralf Dujmovits muss sein Projekt Nuptse-Ostgrat erst einmal hintenan stellen. „Es fehlt mir einfach Energie und Schubkraft“, schreibt der 50-Jährige. Eine Ärztin im Basislager diagnostizierte eine Nasennebenhöhlen-Entzündung und verordnete Ralf Antibiotika und sieben Tage Pause. „Also werde ich mich erst mal auskurieren und habe Gerlinde und David gebeten, bei nächstbester Gelegenheit alleine zum Nuptse aufzubrechen. Momentan würde ich eine echte Gefahr für die beiden und auch für mich selbst bedeuten.“
Frei geschmolzen
Mit seiner Ehefrau Gerlinde Kaltenbrunner und David Göttler war Ralf zuvor bis auf 7100 Meter aufgestiegen, um sich weiter zu akklimatisieren. „Nach einem sehr trockenen Winter im Everest-Gebiet sind die Flanken von Nuptse, Lhotse und Everest völlig ausgeapert (d.h. frei geschmolzen) und trocken. Blankeis und Steinschlag waren unsere ständigen Begleiter“, berichtet Ralf. Die ursprünglich geplante Aufstiegsroute durch die Nuptse-Nordwand hinauf zum Grat musste sich das Trio bereits aus dem Kopf schlagen: „Zu steinschlägig und damit zu gefährlich“. Die drei haben jedoch bereits eine Ausweichroute weiter rechts in der Wand ausgemacht. Ob Ralf noch einmal die Chance erhält aufzusteigen, steht wegen seiner Erkrankung vorerst in den Sternen.
Glück gehabt
Der Khumbu-Eisbruch, durch den alle Everest-, Lhotse- und Nuptse-Anwärter zunächst steigen müssen, befindet sich nach Ralfs Worten „in einem beängstigenden Zustand. An einigen Stellen, vor allem zum Ende des 700 m hohen Eis-Trümmerhaufens, hängen von der Westschulter des Everest haushohe Eisblöcke absturzbereit über der Aufstiegsroute.“ Das klingt nach Russisch Roulette spielen. So fühlte sich auch mein alter Kumpel vom Manaslu, Richard Stihler, der im Team mit dem Sherpa Pasang den Mount Everest besteigen will. „Pasang betet und wirft Reis, danach rennen wir so schnell es geht aus dem Gefahrenbereich“, schreibt Richie. Bis zu Lager 2 auf 6400 Meter sind die beiden aufgestiegen, um sich an die Höhe zu gewöhnen. „Während wir unseren zweiten Tag im Hochlager verbringen, rauscht eine riesige Lawine über den Eisbruch. Wie durch ein Wunder wurde nur eine Person verletzt“, berichtet der Architekt aus Lahr in Baden. „Erst im Abstieg sehen wir, dass es genau an der Stelle passiert war, an der wir tags zuvor mit viel Gottvertrauen durchgerast waren. Glück gehabt!“