Gewitter am Manaslu
Niemals habe ich mehr Schnee geschaufelt als 2007 am Manaslu. Kein Tag verging, ohne dass Frau Holle es aus Nepals Himmel weiß auf unser Basislager rieseln lies. Höhepunkt war ein Wettersturz mit so heftigem Schneefall, dass unser großes Kuppelzelt nachts unter den Massen zusammenbrach. Während die anderen am Berg unterwegs waren, verbrachten Koch Sitaram Rai, seine Küchenhelfer und ich die Nacht damit, die Zelte freizuschaufeln. Auch fünf Jahre später hat der Manaslu seinem Ruf als Achttausender des Schnees und der Gewitter wieder alle Ehre gemacht. Nach Angaben der deutschen Bergsteiger Luis Stitzinger und Alix von Melle erreichten in diesem Frühjahr nur fünf westliche Bergsteiger und einige Sherpas den 8163 Meter hohen Gipfel, alle nutzten Flaschen-Sauerstoff. Ein Iraner, der mit vier Landsleuten ebenfalls oben war, stürzte beim Abstieg ab und wird seitdem vermisst. Viel fehlte nicht, und es hätte noch mehr Opfer gegeben.
Haare standen zu Berge
Luis, Alix und drei weitere Expeditionsmitglieder befinden sich am 12. Mai 200 Meter unterhalb des Gipfels, als ein Gewitter losbricht. „Unter der Mütze stehen uns die Haare zu Berge, Pickel und Skistöcke summen, elektrische Schläge zucken schmerzhaft auf Schultern und Kopfhaut. Graupel setzt ein, ein orkanartiger Wind bricht los“, schreiben Luis und Alix auf ihrer Internetseite. „Fluchtartig treten wir den Abstieg an. Aus der genussvollen Bergtour von vor noch einer halben Stunde ist ein Überlebenskampf geworden.“ Bei null Sicht erreicht die Gruppe nur mit Hilfe des GPS das Lager auf 7400 Metern. Später bricht der bayrische Bergsteiger Christian Ranke zusammen. Er ist schneeblind, bei ihm zeigen sich außerdem Symptome eines Höhenhirnödems. Christian erhält Notfallmedikamente. Den anderen Expeditionsmitgliedern gelingt es, ihn ins nächste Lager hinunterzubringen und dort mit Flaschen-Sauerstoff zu versorgen. Er erholt sich so weit, dass die Gruppe am nächsten Tag bis ins Basislager teils absteigen, teils mit Skiern abfahren kann. Das war knapp. Damit bleibt es zunächst für Luis und Alix bei fünf bestiegenen Achttausendern. Alix ist damit die erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin.
Hauptsache gesund
Auch die vom Österreicher Herbert Wolf geführte Gruppe kehrte ohne Gipfelerfolg, aber gesund vom Manaslu heim. Der umsichtige Bergführer hatte im Oktober 2011 unsere Expedition zum Siebentausender Putha Hiunchuli (einfach in der oberen Leiste auf „Putha Hiunchuli 2011“ klicken) geleitet. Dort war Schneefall nicht die Regel, sondern die Ausnahme gewesen.
P.S. Die Leiche der in Nepal geborenen kanadischen Bergsteigerin, die vor anderthalb Wochen im Gipfelbereich des Mount Everest ums Leben gekommen war, ist von Lager 2 auf 6500 Metern aus per Hubschrauber nach Kathmandu geflogen worden. Sherpas hatten den Körper der Verstorbenen aus etwa 8400 Metern heruntergebracht.
P.P.S. Hier findet ihr eine Hintergrundstory, die ich für die DW über das Geschehen am Everest geschrieben habe.