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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Analog

Ralf (l.) und Andrew 2006 am Kangchendzönga

Geschichten wiederholen sich. Als ich auf der Internetseite des Australiers Andrew Lock landete, staunte ich über viele Parallelen zu Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichstem Bergsteiger. Beide sind 50 Jahre alt, beide im Dezember 1961 geboren. Andrew war 2009 der erste Australier, der alle 14 Achttausender bestieg, Ralf im selben Jahr der erste Deutsche. Beide benutzten nur am Mount Everest Flaschensauerstoff und wollten jetzt diese Scharte auswetzen. Beide kehrten um und erklärten das Kapitel Everest für beendet. Sogar die Motive ähneln sich.

Fledermaus-Alarm

Ralf hatte seinen Gipfelversuch – wie berichtet – am Südsattel auf knapp 8000 Metern abgebrochen, nachdem ihm sein Körper eindeutige Warnsignale geschickt hatte. Andrew versuchte eine Woche später, über die tibetische Normalroute den höchsten Punkt zu erreichen. Auf 8500 Metern kehrte er um. Der Australier sah doppelt, erbrach sich, schlief immer wieder für kurze Momente ein, stürzte und halluzinierte. Alarm! „Das musste ein Höhenhirnödem sein. Schließlich sah ich da oben riesige Fledermäuse“, schreibt Andrew.

Botschaft angekommen 

Andrew engagiert sich für Australiens Pfadfinder

Er brach seinen Gipfelversuch ab und erklärte seine Achttausender-Karriere für beendet: „Ab jetzt befinde ich mich im Todeszonen-Ruhestand.“ 25 Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt, das machten zusammen etwa vier Jahre seines Lebens, rechnet Lock vor. „Ich denke, das reicht. Ich habe noch alle meine Finger und Zehen. Und die einzigen Rettungsaktionen, in die ich verwickelt war, galten anderen Bergsteigern. Diese Bilanzen sollen bestehen bleiben. Mein Körper sagt mir seit einigen Jahren ‚Genug!’ und mein Kopf hat die Botschaft endlich zur Kenntnis genommen. Besser spät als gar nicht.“

98-Jährige mit zwei linken Füßen

Wie Ralf fühlte sich auch Andrew durch das diesjährige „Chaos und den Menschenauflauf am Everest“ abgestoßen: „Vielleicht denken manche, ich bin enttäuscht, wenn eines Tages der erste Bergsteiger im pinkfarbenen Giraffenanzug auf dem Gipfel steht oder die erste 98-Jährige mit zwei linken Füßen und ich es nicht geschafft habe. Aber das juckt mich überhaupt nicht.“ Bergsteigen mit Atemmaske, Sherpas und Bergführern auf der einen und der Verzicht auf jede Hilfe auf der anderen Seite, das seien zwei komplett unterschiedliche Spiele. „Der einzige Verlierer ist der gute alte Chomolungma, der zunehmend entwürdigt wird durch die Bergsteigermassen, ihre Possen und den Abfall, den sie zurücklassen.“ 

Bei so viel Gemeinsamkeiten verwundert es kaum, dass Ralf und Andrew auch am Berg zusammen unterwegs waren. Am 14. Mai 2006 erreichten beide im selben Team den 8586 Meter hohen Gipfel des Kangchendzönga, des dritthöchsten Bergs der Erde.

P.S. Einen Everest-Rekord bin euch noch schuldig: Der 51 Jahre alte Kame, ein Sherpa aus dem Solu Khumbu, bestieg den höchsten Berg dreimal innerhalb von neun Tagen: am 19., 24. und 27. Mai. Es waren seine Everest-Aufstiege Nummer 12 bis 14.

Datum

6. Juni 2012 | 12:19

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