Olympische Gänsehaut
Gänsehaut-Atmosphäre. Die gab es in den letzten zwei Wochen reichlich bei den Olympischen Spielen. Das erinnerte mich an einen meiner Lieblingsträume aus Kindertagen: Ich muss den entscheidenden Elfmeter im Finale meines Leib- und Magenvereins 1. FC Köln schießen. Mucksmäuschenstill ist es im Stadion. 50.000 Zuschauer starren gebannt auf mich. Ich laufe an und versenke den Ball im Netz. Das Stadion tobt, auf den Schultern werde ich hinausgetragen. Mein kaum vorhandenes Fußball-Talent verhinderte, dass aus diesem Traum Wirklichkeit wurde. Auch sonst langte es sportlich nur zu persönlichen Bestleistungen, Galaxien entfernt von Olympia. Zur Meisterschaft brachte ich es lediglich im Mitfreuen. Und ich würde auch mit Kletterern jubeln – wenn sie im Jahr 2020 um olympisches Edelmetall wetteifern sollten.
Einer von acht kommt durch
Das Sportklettern hat es nämlich im vergangenen Jahr auf die so genannte „Shortlist“, also in die Endauswahl der acht Kandidaten geschafft. Im September 2013 in Buenos Aires entscheidet das Internationale Olympische Komitee (IOC), welche neue Sportart bei den Spielen in acht Jahren ins olympische Programm aufgenommen wird. Nur eine von der Liste kommt durch. Die Konkurrenten heißen Baseball, Softball, Squash, Rollersports (Inline-Skater, Rollhockey und ähnliches), Wakeboard, Karate und Wushu (ebenfalls eine asiatische Kampfsportart).
„Klettern verdient es, olympischer Sport zu sein und natürlich wäre ich gerne mit dabei“, sagt Adam Ondra, der 19 Jahre alte Tscheche, der seit Jahren zur absoluten Weltspitze der Sportkletterer gehört. Sportklettern ist weltweit in. Im internationalen Fachverband IFSC (International Federation of Sport Climbing) sind inzwischen 64 nationale Kletterverbände als Vollmitglieder registriert, für Deutschland der Alpenverein.
Gold für Tauhangeln und Himalaya-Expedition
Zwischen 1896 und 1924 war Klettern schon einmal olympisch – allerdings nur „beinfrei“ und damit eher turnerisch. Beim Tauhangeln gewann Gold, wer am elegantesten und schnellsten an einem knapp 15 Meter hohen, frei hängenden Seil empor kletterte – bei gestreckten und unbewegten Beinen. Und auch fürs Bergsteigen gab es einst olympisches Edelmetall. Das IOC belohnte insgesamt dreimal besondere Leistungen im Hochgebirge. Bei den Winterspielen 1924 in Chamonix wurden die Mitglieder der britischen Mount-Everest-Expedition 1922 mit Gold dekoriert. 1932 bei den Sommerspielen in Los Angeles ehrte das IOC die deutschen Brüder Franz und Toni Schmid mit dem „Prix olympique d’alpinisme“. Die beiden Münchner hatten im Jahr zuvor als Erste die Matterhorn-Nordwand durchstiegen. Toni Schmid erlebte den „Olympiasieg“ nicht mehr: Zweieinhalb Monate vor den Spielen stürzte er in den Hohen Tauern aus der Wiesbachhorn-Nordwestwand in den Tod. Die letzten Olympia-Gewinner im Bergsteigen kamen aus der Schweiz. Günter und Hettie Dyhrenfurth wurden 1936 in Berlin für „eine Reihe von bemerkenswerten Aufstiegen und wissenschaftlichen Expeditionen im Himalaya“ ausgezeichnet.
Ü 50
Dann war Sense mit olympischen Medaillen für Bergsportler. Vielleicht klappt es ja für die Sportkletterer 2020 in Tokio, Madrid oder Istanbul. Die Entscheidung, wer die Spiele ausrichtet, fällt ebenfalls im September 2013. Ich erwäge, vorher noch den Antrag beim IOC zu stellen, einen eigenen Wettbewerb in der Altersklasse Ü 50 ins Programm aufzunehmen. Als bekennender „Dilettant in der Wand“ hätte ich zwar auch in dieser Disziplin eine gegen minus unendlich tendierende Medaillenchance, würde ich mich aber auf das olympische Motto berufen: „Dabeisein ist alles!“ Damit ich doch noch zu meiner Gänsehaut komme.