Everest-Gipfelversuch abgebrochen
Nobukazu Kuriki hat seinen Gipfelversuch am Mount Everest abgebrochen. Der 30 Jahre alte Japaner hatte sich vorgenommen, den 8850 Meter hohen Gipfel im Alleingang und ohne Flaschensauerstoff über die selten begangene, weil gefährliche Westgrat-Route zu erreichen. Nach Angaben seines Teams im Basislager kehrte Kuriki in über 8000 Meter Höhe um, weil der Wind zu einem Sturm angewachsen und ein weiterer Aufstieg daher zu gefährlich gewesen sei. Das deckt sich mit den Wetterprognosen, die sogar Orkanböen von 44 Meter pro Sekunde auf der Nord- und Südseite des Everest vorhergesagt hatten. Einige Stunden zuvor hatte der Japaner via Twitter mitgeteilt, er habe die Traverse vom Westgrat nun hinter sich und befinde sich unterhalb des Hornbein-Couloirs. Die beiden US-Amerikaner Tom Hornbein und Willi Unsoeld hatten die Rinne in der Everest-Nordwand 1963 erstmals durchstiegen. Kuriki hatte angekündigt, er wolle von seinem Lager vier in 7500 Meter Höhe in einem Zug den Gipfel erreichen. Für jemand, der in den vergangenen drei Jahren bei seinen Everest-Versuchen jeweils unterhalb von 8000 Metern scheiterte und auch sonst bisher nicht als Top-Bergsteiger in Erscheinung getreten ist, nimmt er den Mund recht voll, dachte ich noch.
„Gewöhnlicher Fernsehdarsteller“
Kuriki ist in der japanischen Bergsteigerszene alles andere als beliebt. „Ich denke, dass sich viele der echten japanischen Kletterer nicht mit ihm befassen wollen, mich eingeschlossen“, schreibt mir Hirotaka Takeuchi, der erste Japaner, der alle 14 Achttausender bestiegen hat. Kuriki sei ein „gewöhnlicher Fernsehdarsteller“, der am Everest „sein eigenes PR-Video“ drehe, meint Hiro, mit dem ich 2005 an der Everest-Nordwand und 2007 am Manaslu das Basislager teilte: „Sein ‚Solo‘ bedeutet ‚kein Gespräch mit jemandem auf der Route‘. Sein Sherpa folgt ihm immer im Abstand von zehn Metern.“ Kuriki nehme es generell mit der Wahrheit nicht so genau, behauptet Hiro. Den Cho Oyu habe er wirklich bestiegen, doch weder am Manaslu noch am Dhaulagiri habe er die jeweils höchsten Punkte erreicht.
Nur am Manaslu-Vorgipfel
Ich habe mich bei Billi Bierling, der „rechten Hand“ von Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley erkundigt, ob sie das bestätigen könne. Kurikis Besteigung des Dhaulagiri am 18. Mai 2009 werde nicht angezweifelt, antwortete Billi, aber „am Manaslu war er am 12.10.2008 nur auf dem Vorgipfel. So steht es zumindest in der Datenbank“.
Und wie allein ist Kuriki bei seinen propagierten„Solo-Besteigungen“ wirklich unterwegs? Bei seinem Aufstieg durch den Khumbu-Eisbruch nutzte der Japaner die Route, die von den Sherpa-„Icedoctors“ versichert wurde. Insofern gilt sein Solo nur noch als „supported“, also „mit Unterstützung“. Immerhin schaffte es Kuriki jedoch weiter als die beiden US-Expeditionen, die sich in diesem Frühjahr an der Westgrat-Route die Zähne ausgebissen hatten. Nach Angaben von Jake Norton, der eine der beiden US-Gruppen leitete, gab es bisher neun Everest-Expeditionen über den Westgrat mit insgesamt 21 Gipfelerfolgen und 23 Todesfällen.
P.S. Auch der Hersteller Mammut hat jetzt wegen des tödlichen Unfalls in Walchsee im August vorsorglich vier Klettersteig-Sets zurückgerufen. Lest hier, um welche Produkte es sich handelt.