Uelis dritter Anlauf an der Annapurna
Mein (hier geäußertes) Bauchgefühl stimmte: Ueli Steck ist tatsächlich in den Himalaya zurückgekehrt, um sich wieder an einem Achttausender zu versuchen – viereinhalb Monate nach dem unseligen Sherpa-Angriff gegen ihn, Simone Moro und Jonathan Griffith in Lager 2 am Mount Everest. Der 36-Jährige Topbergsteiger aus der Schweiz reiste gestern nach Kathmandu. Sein Ziel: die Südwand der 8091 Meter hohen Annapurna. „Bequem durchs Leben zu gehen, ist nach wie vor nicht mein Ziel“, schreibt Ueli auf seiner Homepage. „Darum versuche ich es ein drittes Mal an der Annapurna. Ich möchte meine Träume und Visionen in die Realität umsetzen. Die Annapurna ist eine davon.“ 2007 war er dort nur knapp dem Tod entronnen.
„Mächtig Glück gehabt“
Ueli versuchte damals, die Südwand solo zu durchklettern, als ihn ein Stein am Kopf traf. Steck verlor das Bewusstsein und stürzte 200 Meter ab. „Da hatte ich mächtig Glück“, sagte mir Ueli später bei einem Treffen in München. „Das Risiko ist einfach da in diesen Bergen. Und es ist relativ hoch.“ 2008 kehrte Steck mit seinem Landsmann Simon Anthamatten zur Annapurna zurück, doch auch diese Expedition stand unter keinem guten Stern. Die beiden Schweizer brachen ihren Versuch ab, um Iñaki Ochoa de Olza zu retten, der höhenkrank in Lager 3 auf über 7000 Metern lag. Ueli erreichte das Zelt, konnte aber nicht verhindern, dass der 40 Jahre alte Spanier, der zuvor zwölf Achttausender bestiegen hatte, starb.
Mit Don Bowie
Diesmal ist Ueli mit Don Bowie unterwegs. Der gebürtige Kanadier, der jetzt in Kalifornien lebt, musste 2012 einen Solo-Versuch an der Annapurna-Nordwand abbrechen. Bereits 2011 hatte der leistungsstarke Bergsteiger mit Steck ein Team gebildet. Damals durchstieg Ueli die Shishapangma-Südwand in nur zehneinhalb Stunden – im Alleingang, weil sich Don nicht gut fühlte. Anschließend bestiegen beide gemeinsam den Cho Oyu, um einige Wochen später am Mount Everest zu scheitern.
Gelungene Ouvertüre
Den Gipfel des höchsten Bergs der Erde erreichte Ueli dann im Mai vergangenen Jahres. 2013 wollte er mit Simone Moro und Jonathan Griffith am Everest etwas Neues wagen. Doch dazu kam es nicht mehr. Ende April eskalierte ein Streit mit Sherpas auf der Normalroute. Die drei europäischen Bergsteiger wurden im Hochlager geschlagen, mit Steinen beworfen und mit dem Tod bedroht. Ueli reiste geschockt und deprimiert ab. Im August meldete er sich zurück: mit einem Speed-Rekord auf der „Intégrale de Peuterey“ am Mont Blanc, dem nach seinen Angaben längsten Grat der Alpen. Eine gelungene Ouvertüre für die Annapurna-Südwand.