Göttler: „Stück für Stück denken“
Für David Göttler ist es die erste Winterexpedition an einem Achttausender. Und dann gleich am Nanga Parbat. Der 8125 Meter hohe Berg und der K 2 sind die beiden einzigen in der kalten Jahreszeit noch unbestiegenen Achttausender. Der 35 Jahre alte Deutsche ist mit den Italienern Simone Moro und Emilio Previtali unterwegs. Sie versuchen, den Gipfel von der Rupal-Seite aus über die so genannte „Schell-Route“ zu erreichen. Moro gehört neben den Polen Jerzy Kukuczka, Krzysztof Wielicki and Maciej Berbeka zum erlauchten Kreis der Bergsteiger, die drei Achttausender erstmals im Winter bestiegen (Shishapangma 2005, Makalu 2009, Gasherbrum II 2011). Ich erreiche David im Basislager, wo sich das Team nach einigen Tagen am Berg erholt.
David, wie vertreibt ihr euch die Zeit?
Lesen, Emails schreiben, Interviews bearbeiten. Dann gibt es ja dreimal am Tag gutes Essen, und so gehen die Tage hier erstaunlich schnell herum. In meinem Zelt mache ich auch ein paar Yogaübungen, um nicht gänzlich zu degenerieren.
Für dich ist es die erste Winterexpedition an einem Achttausender. Ihr seid jetzt seit drei Wochen am Nanga Parbat. Wie fühlt es sich für dich bisher an? Alles wie erwartet?
Es fühlt sich gut an! Ich muss dazu sagen, wir haben bis jetzt wirklich unglaubliches Glück mit dem Wetter. Aber ich bin mir sicher, der „richtige“ Winter kommt auch hier noch an, und dann wird es alles andere als lustig.
Der Pole Darek Zaluski, ein erfahrener Winterbergsteiger an den Achttausendern, beschrieb kürzlich, dass man im Winter mit zunehmender Dauer in großer Höhe extrem an Kraft verliert. Hast du in dem Punkt bisher schon einen Unterschied zu Sommerexpeditionen feststellen können?
Nein, bis jetzt fühlt es sich wie im Sommer an. Wir waren bis auf 6400 Meter und haben dort oben gut arbeiten und auch die Nächte gut herumbringen können. Bis jetzt merke ich noch keinen Unterschied. Aber wie gesagt, ich möchte nicht arrogant klingen, es ist einfach der Tatsache geschuldet, dass uns Petrus bis jetzt noch wohlgesonnen war.
Du bist Simone Moro zwar schon mehrfach begegnet, aber als Seilschaft wart ihr noch nie gemeinsam unterwegs. Wie gut harmoniert ihr?
Es ist, wie ich es erwartet habe. Wir funktionieren super als Team, haben bei Entscheidungen dieselben Standpunkte und Ansichten. Es ist wirklich entspannt und schön, mit ihm hier unterwegs zu sein. Wir können uns gegenseitig motivieren. Somit, denke ich, sollte zumindest vom Team her alles gut klappen.
Bereits vor Weihnachten hat eine polnische Bergsteiger-Gruppe ihre Zelte auf der Rupal-Seite aufgeschlagen. Zwei Expeditionen auf derselben Route, geht das gut?
Das geht fantastisch! Wir arbeiten zusammen, mal haben die polnischen Freunde Fixseile angebracht, mal wir. Dasselbe gilt für das Spuren oder für den Nachschub an Fixseilen und Material zum Versichern. Wir waren am Anfang natürlich wegen noch mangelnder Akklimatisation ein wenig hinterher, aber ab jetzt können wir genau gleich mit ihnen von der Höhe mithalten und unterwegs sein. Gestern waren sie hier bei uns zum Abendessen, und wir hatten viel Spaß. Ich denke, das ist das Schöne im Winter: Hier arbeiten alle zusammen, und jeder hilft dem anderen.
Hanns Schell und die anderen Erstbegeher der Route, die ihr gewählt habt, bezeichneten 1976 den Abschnitt bis hinauf nach Lager zwei als den gefährlichsten des gesamten Aufstiegs? Wie hast du diese Passage erlebt?
Ich denke, sie hatten recht. Wir haben nun bis auf 6400 Meter versichert, und die weitere Route scheint technisch nicht mehr so anspruchsvoll zu sein wie bis dorthin. Aber natürlich ist es noch ein langer Weg, und wir sind noch weit vom Gipfel entfernt. Aber eben Stück für Stück denken, das ist hier unsere Devise. Bis auf 6400 Meter ist die Route beeindruckend direkt und steil. Das gefällt mir gut. Man kann schnell Höhenmeter machen, sowohl im Aufstieg als auch im Abstieg.
Ralf Dujmovits hat auf der Diamir-Seite aufgegeben, weil ihm das Lawinen- und Eisschlagrisiko zu groß erschien. Wie sieht das auf eurer Seite aus?
Bei uns ist es Gott sei Dank nicht so wild. Wir müssen natürlich auf Steinschlag aufpassen, bis wir auf dem Grat auf ca. 6000 Meter ankommen, aber er hält sich in Grenzen. Und nach Neuschnee, wie es gerade einen gibt, müssen wir auch ein wenig schauen, um nicht in eine Lawine in den Rinnen im unteren Teil zu kommen. Aber es sind nicht diese großen Eislawinen, die einen über lange Zeit bedrohen.
Ihr wart jetzt auf 6400 Metern, das sind noch rund 1700 Höhenmeter bis zum Gipfel. Ein langer Weg. Konntet ihr schon die Verhältnisse im oberen Bereich einsehen?
Es ist so stark vom Wind bearbeitet, teilweise schwarzes, steinhartes, blankes Eis. Das ist sicherlich das Schwierigste dort oben. Ansonsten schaut es aber ganz gut aus. Und auf die andere, die Diamir- Seite konnten wir noch nicht schauen. Somit können wir nur hoffen, dass uns dort dann gute Verhältnisse erwarten.
Als wir uns im Dezember vor der Expedition trafen, sprachst du von einer Erfolgschance zwischen 15 und 20 Prozent. Bist du inzwischen optimistischer?
Ich möchte da weiterhin bei den niedrigen Chancen bleiben. Einfach um mich selber nicht zu sehr zu enttäuschen, wenn es nicht klappt. Es ist schlicht noch ein sehr langer Weg, auch wenn wir bis jetzt gut voran gekommen sind. Wir werden sehen, oder wie sie hier gerne sagen: Inschallah.