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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Ralf Dujmovits: Mount Everest, die Sechste!

Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Wie konnte der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan im Jahr 1520 an der Südspitze Südamerikas so viele Lagerfeuer sichten, dass er die Region Feuerland taufte? Eigentlich hätte der dort übliche Dauerregen doch jede Flamme gelöscht haben müssen. Gerlinde Kaltenbrunner, Ralf Dujmovits, Ralf Gantzhorn und Rainer Pircher jedenfalls hatten während ihrer Expedition zum Monte Sarmiento in Feuerland nur zwei halbe Tage, die regenfrei waren. Dazu Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern auf 1800 Meter Höhe. So wurde nichts aus dem Plan, den Hauptgipfel des 2246 Meter hohen, pyramidenförmigen Bergs über die Nordwand zu besteigen. Das Team hatte nicht nur kein Wetterglück, sondern auch noch Pech dazu. Eine Schneehöhle auf 1600 Metern, in der die Bergsteiger beim ersten Versuch ihr Material deponiert hatten, war beim zweiten Aufstieg verschwunden.

Kein Problem mit Übergepäck

„Wir hatten sie markiert, mit GPS-Daten und einer Lawinensonde, die zwei Meter herausstand. Aber wahrscheinlich ist die Schneehöhle aufgrund des sehr warmen Wetters und des starken Regens zusammengebrochen und mit dem ganzen Hang abgegangen“, erzählt mir Ralf nach seiner Rückkehr. „Den einzigen Vorteil, den der Verlust des ganzen Materials hatte, war, dass wir auf dem Heimweg kein Problem mit Übergepäck hatten.“ Der 52-Jährige ist nur für einen kurzen Zwischenstopp daheim. Schon heute fliegt er weiter nach Nepal und reist von dort aus nach Tibet. Erneut will Dujmovits versuchen, den Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Der höchste aller Berge ist der einzige der 14 Achttausender, den er (1992) mit Atemmaske bestiegen hat.

„Definitiv mein letzter Versuch“

Ralf am Everest-Südsattel

Ralf 2012 am Everest-Südsattel

Ralf, vor zwei Jahren hast du wörtlich gesagt: „Ich werde für alle Zukunft auf eine Besteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpa-Unterstützung verzichten. Ich habe es Gerlinde versprochen.“ Warum der Sinneswandel?

Du weißt ja, man soll niemals nie sagen. Ich habe vielleicht damals diesen Fehler gemacht. Ich habe mich schon im letzten Herbst sehr gut auf den Mount Everest vorbereitet, als mein australischer Kollege (Andrew Lock) schließlich abgesagt hat. Ich habe gesehen, dass ich mich wirklich noch einmal zu echter Höchstform trainieren kann. Das wollte ich für den Nanga Parbat nutzen, aber auch das hat nicht geklappt. Dennoch habe ich gemerkt, dass ich die nötige Fitness noch erreichen kann. Deshalb packe ich es noch einmal an und gehe zum Mount Everest. Selbst wenn man über 50 Jahre alt ist, sollte man so einer Chance nicht aus dem Weg gehen.

Ist es für dich immer noch eine Scharte, die du auswetzen willst, dass du den Everest nur mit Flaschensauerstoff geschafft hast?

Ein Stück weit schon. Es juckt mich nach wie vor. Ich würde es gerne noch schaffen. Ich mache jetzt wirklich definitiv (lacht) meinen letzten Versuch ohne Sauerstoff und werde damit für mich das Kapitel Everest abschließen. Egal wie es jetzt ausgeht. Es ist jetzt mein sechster Anlauf am Everest, und ich hoffe, dass es dann noch mal klappt. Ich werde wirklich alles geben, und dann sehen wir, wie es ausgeht.

Ralf Dujmovits: Definitiv mein letzter Versuch am Everest

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Nordwand

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Everest-Nordwand

Du hast bereits dreimal erfolglos versucht, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, davon zweimal über die Nordseite. Auch in diesem Frühjahr wählst du den Weg über die tibetische Seite. Warum?

Ich werde nicht wieder die Route nehmen, die ich zweimal mit Gerlinde versucht habe, über die Kombination aus Japaner-Couloir und Hornbein-Couloir („Supercouloir“) in der Nordwand (2005 und 2010), sondern möchte weiter links unterwegs sein. Das heißt, ich steige erst einmal auf dem Normalweg bis zum Nordsattel auf und möchte von dort aus in das Norton-Couloir queren. Das Couloir hat oben einen schrägen Ausstieg, den schon Reinhold Messner 1980 bei seiner damaligen Solobegehung genutzt hat. Das war allerdings im Herbst. Ich habe 2010 gesehen, dass auch im Frühsommer dort deutlich bessere Verhältnisse herrschten als im Supercouloir. Ich möchte schauen, ob es jetzt wieder so ist. Wenn es passt, würde ich gerne diese Route gehen.

Und wenn es nicht passt, wäre dann die Normalroute für dich eine Alternative?

Ich denke, es hängt sehr stark von den Verhältnissen ab, wie es mir geht, wie ich mich akklimatisiert habe. Ich muss mir das wirklich offenlassen. Ich will mich nicht zu sehr festlegen und einschränken. Ich bin, wie gesagt, inzwischen mit über 50 nicht mehr ganz der Jüngste. Ich muss ausloten, wo ich stehe. Und das werde ich erst vor Ort am Berg sehen.

Es werden sicherlich wieder viele Bergsteiger am Everest unterwegs sein. Beeinträchtigt dich das nicht, wenn du ohne Flaschensauerstoff steigst?

Das ist eben der Vorteil auf dieser anderen Route, wo sonst niemand wäre. In dem Moment, wo man auf der Normalroute – sowohl auf der nepalesischen als leider auch auf der tibetischen Seite – unterwegs ist, läuft man Gefahr, in die Staus mit den Bergsteigern zu geraten, die mit Flaschensauerstoff unterwegs sind. Da hat man eigentlich auf Grund des Problems mit der großen Kälte als Aufsteiger ohne Sauerstoff fast keine Chance. Das Problem dort oben ist ja nicht alleine der mangelnde Sauerstoffpartialdruck. Indem man schnell atmet, geht die Körperwärme verloren. Und wenn man in der großen Höhe den Körper über so lange Zeit quasi kalt atmet, hat man wirklich große Chancen, sich Erfrierungen einzuhandeln. Das würde ich gerne ausschließen, indem ich auf einer Route unterwegs bin, in der ich ganz genau in meinem Tempo gehen kann.

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Bei unserem letzten Gespräch sagtest du, du wolltest oben am Berg völlig unabhängig agieren. Auch bei deinem Versuch am Nanga Parbat wolltest du im oberen Teil solo steigen. Fühlst du dich inzwischen an den höchsten Bergen alleine wohler?

Sagen wir es so: Ich weiß, dass ich mein Tempo gehen können muss. Das heißt, ich möchte mich niemandem mehr anschließen. Ich bin langsamer geworden, das weiß ich und habe es auch 2012 am Everest gesehen. Aber wenn ich mein Tempo durchgehen kann –  ich gehe wirklich über viele Stunden ein ganz gleichmäßiges Tempo, ohne dass ich ein einziges Mal anhalte -, dann komme ich sehr gut vorwärts. Ich höre auch sehr genau in mich hinein. Ich empfinde es inzwischen wirklich als Erleichterung, wenn ich es so machen kann. Früher habe ich mich in Gesellschaft wohler und sicherer gefühlt. Aber es ist letztlich doch immer nur eine Scheinsicherheit, die man hat. Und die Einsamkeit macht mir inzwischen mit dem zugenommenen Alter nichts mehr aus.

Ralf Dujmovits: Ich muss mein Tempo gehen können

Es ist ein schmaler Grat zwischen Beißen können und verbissen sein. Wie hoch ist der Druck, den du dir selbst machst?

Stefan, ich gehe das genauso entspannt an, wie ich es auch sonst immer gemacht habe. Ich werde mir sicher Mühe geben, meinen Plan umzusetzen. Aber ich habe so oft umgedreht und würde auch noch einmal umdrehen. Das Allerwichtigste, das ich habe, ist meine Gesundheit, alle meine Zehen und Finger. Ich klettere unglaublich gerne, und das möchte ich mir auch weiterhin bewahren. Dafür würde ich gar nichts riskieren. Ich werde es versuchen, mir alle Mühe geben, aber ich möchte vor allen Dingen wieder gesund herunterkommen.

Ralf Dujmovits: Ich würde noch einmal umdrehen

Du hast es angesprochen, seit 1992 warst du fünfmal am Mount Everest. Jetzt ist es dein sechster Versuch. Entwickelt man bei so vielen Besuchen so etwas wie ein Verhältnis zu einem Berg? Kann er einem ans Herz wachsen?

Natürlich. Er wächst einem sogar sehr stark ans Herz. Auch wenn es der Everest ist, von dem man so viel Schlechtes und Negatives gehört hat. Aber ich war sehr oft in völliger Ruhe dort unterwegs, auch mit Gerlinde. 2012 bin ich quasi völlig allein zum Südsattel aufgestiegen, noch vor den großen Massen. Man kann dort schon noch seine Ruhe finden und damit dann auch diese Beziehung zum Berg ein Stück weit leben. Für mich hat diese Beziehung zum Everest auch mit der unglaublichen Höhe zu tun, die gleichzeitig irrsinnige Weitblicke zulässt. Ich spüre einfach, wie mir das Herz aufgeht, wenn ich da oben unterwegs sein kann. Ich genieße das. Ich kann es inzwischen auch genießen, weil ich frei bin von diesen ganzen Zwängen. Natürlich gab es auch nach dem Erfolg 1992, allerdings mit Sauerstoff, diese ganzen Rückschläge. Dann baut sich so eine Geschichte auf, die natürlich auch zu mir gehört, die ein Teil von mir ist, die mir etwas bedeutet, die mir wichtig ist. Und ich kehre jetzt wirklich noch einmal gerne zum Everest zurück.

Ralf Dujmovits: Everest ist Teil meiner Geschichte

Datum

14. April 2014 | 11:45

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