Everest-Saisonende? Zwei Frauen sagen: Nein!
Geht da doch noch etwas auf der nepalesischen Seite des Mount Everest? Die „Himalayan Times“ berichtet, die Chinesin Wang Jing habe sich mit sieben Sherpas auf den Weg zum Basislager gemacht. Die 40-Jährige wolle den höchsten Berg der Erde besteigen. Wang stand bereits einmal auf dem Gipfel des Everest, am 22. Mai 2010 – als erste Chinesin, die den Berg über die Südseite bestieg. In ihrer Heimat ist sie ein Star. Sie hat ein Buch über ihr Bergsteigen geschrieben und leitet einen Outdoor-Ausrüster in Peking. Der Everest ist Teil ihres „Projekts 7+2“. Sie will die „Seven Summits“, die höchsten Gipfel aller Kontinente, in Rekordzeit besteigen und zusätzlich noch an Nord- und Südpol stehen.
Vier der „Seven Summits“ hat sie schon
Diesen Rekord hält seit 2011 der frühere walisische Rugbyspieler und Abenteurer Richard David Parks mit sechs Monaten und elf Tagen. Wang hat also nicht viel Zeit. Sie war in diesem Jahr bereits am Südpol und auf den Gipfeln des Mount Vinson (Antarktis), des Aconcagua (Südamerika), des Mount Kosciusko (Australien), der Carstensz-Pyramide (Ozeanien) und des Elbrus (Europa). Ein Sprecher des nepalesischen Tourismusministeriums wies erneut darauf hin, dass der Mount Everest und auch der Lhotse offiziell nicht geschlossen seien, auch wenn alle großen Veranstalter ihre Expeditionen nach dem Lawinenunglück am Karfreitag abgebrochen hätten.
Per Hubschrauber nach Lager 2
Diese Worte sind Wasser auf die Mühlen von Cleo Weidlich. Die 51-Jährige, die in Brasilien geboren wurde und in den USA lebt, will den Lhotse besteigen. Es wäre nach ihren Angaben ihr neunter Achttausender (einige Besteigungen sind umstritten), auf dem Gipfel des Everest stand sie bereits 2010. Ein Jahr später sorgte sie weltweit für Schlagzeilen, als sie nach der Besteigung des Achttausenders Kangchendzönga, schneeblind und verletzt, in einer dramatischen Aktion gerettet wurde.
Laut Himalayan Times ließ sich Weidlich jetzt von der Ortschaft Gorak Shep auf 5200 Metern aus per Hubschrauber nach Lager 2 auf 6500 Metern fliegen. Bisher waren nur Rettungsflüge am Everest erlaubt. Doch bereits nach dem Lawinenunglück hatte sich die Regierung nachsichtig gezeigt und zugelassen, dass die Expeditionsteams ihr Material aus den Lagern oberhalb des Khumbu-Eisbruchs mit dem Hubschrauber talwärts transportieren ließen. Angeblich hat sich auch Wang Jing nach Lager 2 fliegen lassen. Die Normalwege auf Lhotse und Everest sind bis auf eine Höhe von etwa 7500 Metern identisch.
Harte Worte
Cleo Weidlich hatte sich in der vergangenen Woche via Facebook mehrfach heftig über die „Icefall doctors“ beschwert. Sie warf ihnen vor, sie zu sabotieren und bezeichnete sie als „Everest-Mafia“. Das zeugt nicht gerade von Fingerspitzengefühl. „Jeder, der den Everest in dieser Frühlingssaison 2014 besteigt, ist kein Bergsteiger, sondern ein egoistisches und arrogantes Biest“, schreibt Dawa Steven Sherpa, seit einigen Jahren Leiter der „Öko-Everest-Expeditionen“. „Wie kannst du zur Bruderschaft der Bergsteiger gehören wollen, wenn du nicht jene respektiert, die ums Leben gekommen sind, weil sie dabei waren, dich auf den Gipfel des Bergs zu bringen?“
P.S. Ob eine Besteigung von Everest und Lhotse von Lager 2 aus als vollwertiger Gipfelerfolg zählt, sei dahingestellt. Ein Fall für Elizabeth Hawley, die inzwischen 90 Jahre alte legendäre Himalaya-Chronistin in Kathmandu.
Update 12.05.: Der neuseeländische Expeditionsveranstalter Russell Brice ist nach eigenen Worten inzwischen beim nepalesischen Tourismusministerium vorstellig geworden und hat klargestellt, dass er nichts mit Wang Jings Flug nach Camp 2 zu tun habe. Die Chinesin lief ursprünglich auf das Permit seiner „Himalayan Experience“-Expedition. Auch Murari Sharma von „SummitClimb“, über den Cleo Weidlich ihre Besteigungsgenehmigung bezogen hat, soll verstimmt sein. Die Veranstalter fürchten, dass die Everest-Permits ihrer anderen Kunden verfallen oder sie mit anderen Sanktionen belegt werden könnten, weil sich Wang und Weidlich über das verkündete Expeditionsende hinweggesetzt haben.