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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Unterwegs

Auf dem Weg nach München

Auf dem Weg nach München

Abschied tut weh. Die Tränen meiner Lieben brennen noch auf meinen Wangen. Und dann ihre Blicke, die signalisieren: ‚Ach, wärest du doch schon wieder zurück! Oder würdest gar nicht erst wegfahren!‘ Und doch sitze ich nun im Zug Richtung München, auf dem Weg in ein neues Abenteuer – mit einem schlechten Gewissen und dem Gefühl, vielleicht doch ein blöder Egoist zu sein. Jeder Aufbruch ist eine Reise ins Ungewisse. Wer loszieht, hat es einfacher. Auf ihn warten neue Erlebnisse, Erfahrungen, Eindrücke. Alle, die zurück bleiben, können nur warten, hoffen, beten, dass auch dieses Abenteuer gut ausgeht. Natürlich habe ich meinen Lieben versichert, dass ich vorsichtig sein werde. Und doch werden sie wohl erst ruhig schlafen, wenn ich wieder im Zug sitze – in Gegenrichtung.

Umdrehen ist keine Schande

Vor fast drei Jahren war das genauso. Damals versuchte ich, den Siebentausender Putha Hiunchuli im Westen Nepals zu besteigen. Für mich ein großes Abenteuer – auch ohne Gipfelerfolg. Auf 7150 Metern, hundert Meter unter dem höchsten Punkt, kehrte ich um. Das Wetter kippte, ich war spät dran und körperlich am Limit. Stopp! Eine richtige Entscheidung. Das wusste ich in dem Augenblick, als ich sie traf. Und erst recht, als ich am selben Tag erst kurz vor Einbruch der Dämmerung, 1700 Meter, tiefer das Lager erreichte, mehr stolpernd als gehend. Sollte ich jetzt am Kokodak Dome in eine vergleichbare Situation kommen, werde ich wieder umdrehen. Das bin ich nicht nur allen schuldig, die zu Hause auf mich warten, sondern auch mir selbst. Ich lebe wirklich verdammt gerne.

Magische Anziehung

Hoffentlich nichts vergessen!

Hoffentlich nichts vergessen!

Warum dann dieser neuerliche Aufbruch, der zu einem weiteren Abschied mit frischen Tränen geführt hat? Darauf gibt es keine leichte Antwort, allenfalls ein Versuch. Vielleicht bin ich einfach zu neugierig. Auf neue Länder, neue Menschen – und auch auf mich selbst. Wenn ich meine Grenzen auslote, sie erreiche, im günstigsten Fall sogar verschiebe, eröffnen sich neue Horizonte. Der Blick weitet sich. Auch nach innen. Die Berge sind ein idealer Ort, um auf eine Reise zu sich selbst zu gehen. Nun werdet ihr einwenden, dass es dafür nicht unbedingt ein Siebentausender sein muss, sondern ich diese Erfahrungen durchaus auch an niedrigeren Gipfeln machen könnte. Ihr habt recht. Und doch fühle ich mich immer wieder wie magisch zu den hohen Bergen hingezogen, seit ich 2002 erstmals die Riesen des Himalaya mit eigenen Augen bestaunt habe. Warum? Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, wäre es keine Magie mehr.

Ein Haufen Steine mit weißer Perücke

Stärker als diese fast magnetische Anziehung ist jedoch die Liebe zu den Menschen, die mir wichtig sind und zu denen ich unter allen Umständen zurückkehren will. Deshalb werde ich kein Hasardeur am Berg sein. Kein blinder Ehrgeizling, der Kopf und Kragen riskiert, nur um als Erster einen Gipfel zu besteigen, der letztendlich nicht mehr ist als ein großer Haufen Steine mit einer Perücke aus Schnee und Eis. Ich werde auf meine Ängste hören und die Bremse ziehen, wenn ich die Risiken nicht für verantwortbar halte. Versprochen!

Datum

5. Juli 2014 | 20:09

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