Seilübung am Weltmeistertag
„Im Schlaf sind wir noch nie Weltmeister geworden“, stellt Jan beim Frühstück fest. Als sich die deutsche Fußballnationalmannschaft in Rio de Janeiro mit einem 1:0-Sieg nach Verlängerung gegen Argentinien den Weltmeistertitel holt, liegen wir noch sanft in Orpheus‘ Armen. Irgendwann gegen halb sechs Uhr früh werde ich einmal kurz wach und zwinge mich, auf mein Telefönchen zu sehen. Per SMS hat mich meine Familie über den Ausgang des Endspiels informiert. Mit einem seligen Weltmeisterlächeln im Gesicht drehe ich mich um und schlafe noch eine Runde. Die Euphorie über den WM-Titel hält sich in Grenzen. Irgendwie hat fast jeder damit gerechnet, dass Jogis Jungs nach der 7:1-Gala gegen Brasilien auch die Gauchos aus Argentinien besiegen. „Die Deutschen haben es verdient – so oft, wie die bei den letzten Weltmeisterschaften im Halbfinale gestanden haben“, findet auch Churchy, einer unserer Österreicher. Wir haben doppelten Grund, uns über den WM-Sieg zu freuen. Mit dem Erfolg der deutschen Mannschaft hat auch Expeditionsleiter Luis seine Wette gegen den Leiter der lokalen Partner-Trekkingagentur gewonnen. Letzterer hatte versprochen, uns nach der Rückkehr vom Kokodak Dome nach Kashgar in ein Vier- statt in ein Drei-Sterne-Hotel einzuquartieren, sollte Deutschland Weltmeister werden.
Schinken und Schokoriegel
Am heutigen Ruhetag verwöhnt uns die Sonne. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Besuch im Duschzelt oder, um dreckige Kleidungsstücke im Gletscherbach zu waschen, der direkt neben unserem Basislager entlangfließt und für eine gleichförmige Geräuschkulisse sorgt. Auch ein bisschen Arbeit ist noch zu erledigen. Wir leeren die Expeditionstonnen mit unserer Hochlager-Nahrung und sortieren die reichhaltigen Lebensmittel. Vom Schwarzwälder Schinken über Pesto und anderen Brotaufschnitt bis hin zu Schokoriegeln ist alles vertreten. So viel steht fest: Verhungern werden wir hier garantiert nicht. Und für jeden Geschmack sollte auch etwas im Sortiment enthalten sein.
Eine Nacht auf 4850 Metern
Nach dem Mittagessen hat Luis noch eine Übungseinheit angesetzt. Wir legen unsere Klettergurte an und trainieren, mit der Steigklemme am Seil zu gehen. Eine wichtige Übung, schließlich verbringt keiner von uns seinen Alltag damit, sich am Fixseil fortzubewegen oder an ihm abzuseilen. Außerdem üben wir, uns als Gletscherseilschaft von drei oder vier Bergsteigern anzuseilen. Morgen werden wir diese Fertigkeiten noch nicht benötigen. Dann steigen wir erst einmal zu unserem Zwischenlager auf 4850 Metern auf, um dort zu übernachten und so unsere Akklimatisierung voranzutreiben. Übermorgen wollen wir die Zelte in unser geplantes Lager 1 auf etwa 5600 Metern verlegen. Bei dieser Etappe werden wir wohl schon an einer heiklen Passage das erste Fixseil anbringen. In Lager 1 wollen wir ein Materialdepot anlegen und anschließend wieder bis ins Basislager absteigen. Wir kitzeln unsere Körper mit immer mehr Höhe.
P.S. Wundert euch bitte nicht, wenn ich morgen keinen Bericht absetzen sollte. Ich gebe natürlich mein Bestes, muss aber noch ein wenig mit der Technik herumexperimentieren. Schließlich will ich möglichst wenig davon mit auf den Berg schleppen. Wenn ihr also im Blog nichts Neues vorfindet, bedeutet das nicht, dass etwas passiert ist, sondern nur, dass ich mir im Zwischenlager die Haare raufe, weil mein Plan nicht aufgegangen ist.