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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Berg Gnadenlos

Schneegrat

„So ein Sch…berg!“ Bei einer kurzen Rast auf 6183 Metern platzt es aus mir heraus, sehr zur Freude meiner Expeditionsgefährten. Seit Stunden quälen wir uns den Kokodak Dome hinauf, ohne einmal durchatmen zu können. Gleich hinter unserem Lager 1, wo wir die Nacht verbracht haben, um uns an die Höhe zu gewöhnen, wartet der erste Aufschwung. So steil, dass unsere bärenstarken nepalesischen Helfer, Singi und Chhongba, dort die ersten Fixseile angebracht haben. Über einen schönen Schneegrat geht es fast gerade aufwärts. Es folgt der nächste steile Hang, der übernächste, kein Ende in Sicht. Der Schnee ist tief und sulzig, an vielen Stellen brechen wir bis zu den Knien in der weißen Pampe ein. Wir tragen alle unsere Expeditionsschuhe mit Steigeisen. Sie verschaffen uns einerseits Sicherheit in Schnee und Eis und sorgen für warme Füße. Andererseits sind die klobigen Schuhe nicht unbedingt Kandidaten für den Preis „Fühl‘ dich wohl mit dieser Sohl‘!“. Und wenn du diese Treter in weiche Schneehänge mit bis zu 50 Prozent Steigung wuchtest, ist der Weg zu einem saftigen Fluch nicht weit.

Ohne Dickkopf keine Chance

Tiefblick

Nette Berge haben ein Herz für Bergsteiger. Sie legen sich in bestimmten Abständen zurück. Mit diesem lieblicheren Gelände entlasten sie nicht nur Knochen und Kreislauf, sondern laden auch zu einer gepflegten Brotzeit ein. Nicht so der Kokodak Dome. Der ist einfach nur gnadenlos. Knapp 800 Höhenmeter haben wir ihm heute abgerungen, gefühlt war darunter kein einfacher Meter. Es war eher wie chronisches Treppensteigen auf weichen Stufen. Mit Vergnügen hat das wenig zu tun. Du musst dich hinauf quälen. Ohne Dickkopf hast du keine Chance, den Gipfel zu erreichen. Vielleicht ist er deshalb noch unbestiegen.

Ich habe es bis Lager 2 geschafft

Immerhin haben wir einen Platz für Lager 2 gefunden. 6260 Meter hoch, wieder mit einer tollen Aussicht. Den Gipfel sehen wir immer noch nicht. Doch Expeditionsleiter Luis hat mal um die nächste Ecke gelinst. Und siehe da, der Kokodak Dome legt sich ein wenig zurück. Vielleicht ist er ja doch nicht ganz so gnadenlos.

Hinunter ins Basislager

Der Aufstieg heute hat uns so viel Kraft gekostet, dass wir unseren ursprünglichen Plan einstimmig verworfen haben. Eigentlich wollten wir morgen nochmals nach Lager 2 aufsteigen und dort übernachten. Stattdessen werden wir nun nach einer weiteren Nacht in Lager 1 (man hört jetzt, 20 Uhr, kaum noch etwas anderes aus den Zelten als Schnarchen) ins Basislager absteigen, um uns auszuruhen und die weitere Taktik zu beraten.

 

Datum

19. Juli 2014 | 17:06

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