Halleluja, was für ein Tag!
Einen verunglückten Spaziergang hat der großartige Kurt Tucholsky einst das Golfspiel genannt. Er hätte auch unseren heutigen Aufstieg nach Lager 1 meinen können. Natürlich fiel er uns leichter als bei den beiden ersten Malen, weil wir inzwischen besser akklimatisiert sind. Doch ein Spaziergang war es darum noch lange nicht, bestenfalls eben ein verunglückter. Immerhin mussten wir wieder 1200 Höhenmeter überwinden, durch Gletschermoränen wandern, über Bruchgestein und durch weichen Schnee bergauf stapfen. „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich dabei nicht am Limit war“, freute sich Hannes aus meiner Seilschaft. Obwohl wir noch nicht ans Seil mussten, stiegen Churchy, Hannes und ich schon heute gemeinsam auf. Wir haben einfach dasselbe Tempo und senden auch noch auf derselben Wellenlänge. Churchy ist in unserem Trio der Gute-Laune-Bär. Immer wieder juchzt er laut auf oder ruft „Halleluja, was für ein toller Tag!“
Schinken zur Begrüßung
Kaum eine Wolke trübte während unseres Aufstiegs nach Lager 1 auf 5525 Metern den Himmel. Die Weitsicht war wieder einmal berauschend. Bis weit in das Pamir-Gebirge reichte der Blick. Churchy sorgte dafür, dass wir ab und zu die Köpfe hoben und die Aussicht genossen. Wir hatten schon vorher vereinbart, dass wir uns Zeit nähmen. Schließlich müssen wir uns unsere Kräfte für die nächsten Tage gut einteilen. Wer sich schon am ersten Tag verausgabt, hat, realistisch betrachtet, wahrscheinlich keine Chance, übermorgen den höchsten Punkt auf 7129 Metern zu erreichen. Nach fünf Stunden und 45 Minuten erreichten wir Lager 1 – in ordentlichem Zustand. Ich hätte keine Bäume mehr ausreißen können, außer vielleicht einen Bonsai. Aber ich erholte mich sehr schnell von den Strapazen des Aufstiegs. Sollte ich am Donnerstag oder Freitag tatsächlich den Gipfel des Kokodak Dome erreichen, verdanke ich das auch zu einem guten Teil Sven, der mich überragend versorgt. Mein Zeltpartner empfing mich heute mit dünn geschnittenen Streifen Schwarzwälder Schinken. Köstlich, genau das, was ich brauchte.
Früher Aufbruch
Die Stimmung in Lager 1 ist gut. Alle Teammitglieder wirken optimistisch und auf unser Ziel fokussiert. Morgen werden wir uns die 800 Höhenmeter nach Lager 2 auf 6300 Metern hinaufschinden müssen, mit deutlich mehr Gepäck als beim ersten Mal. Doch die Spur ist getreten. Luis hat die Weckzeit auf 4.30 Uhr festgelegt, um 6 Uhr sollen wir starten. Dann dürfte der Schnee noch relativ hart sein und und uns den Aufstieg erleichtern. Ein Spaziergang wird auch das nicht. Bestenfalls ein verunglückter. Wie verunglückt, erfahrt ihr morgen. Jetzt muss ich mir noch eine Mütze Schlaf holen.