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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Everest-Saison „so normal, wie sie sein konnte“

Mount Everest

Mount Everest

Vor der Saison waren sich eigentlich alle einig: Noch ein Jahr mit Unglücken und ohne Gipfelerfolge am Mount Everest würde das kommerzielle Bergsteigen am höchsten Berg der Erde kaum verkraften. Es kam anders. Mehr als 400 Besteigungen auf der nepalesischen Südseite des Everest, über 100 auf der tibetischen Nordseite, fünf Todesfälle im Gipfelbereich. Alles wieder normal? Irgendwelche Probleme, auf die man hinweisen sollte? Das habe ich einige Expeditionsveranstalter gefragt, die im Frühjahr am Everest waren. Die ersten drei haben bereits geantwortet. Es gibt einige Übereinstimmungen. Aber lest selbst!

Crampton: „Warum keine Regeln wie bei den Chinesen?“

Für Phil Crampton, der in Großbritannien geboren wurde und in den USA lebt, war es die 14. und letzte Saison am Everest. Er hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass sich sein Unternehmen Altitude Junkies ab 2017 auf „weniger überfüllte“ Berge wie die Achttausender Makalu, Dhaulagiri und Kangchendzönga konzentrieren werde. Crampton selbst stand sechsmal auf dem Gipfel des Mount Everest. In dieser Saison verbuchte das Altitude-Junkies-Team 16 Gipfelerfolge. Hier ist Phils Bilanz:

Phil Crampton

Phil Crampton

„Die Frühjahrssaison am Everest war so normal, wie sie nach den Katastrophen-Saisons 2014 und 2015 sein konnte. Der Berg war in diesem Jahr nicht so überfüllt wie sonst. Und doch wurden am Gipfeltag 19. Mai wieder Engpässe wegen Massen von Bergsteigern gemeldet. Expeditionsveranstalter und die Regierung in Kathmandu sprechen bereits davon, dass sie für die Saison 2017 eine höhere Zahl ausländischer Bergsteiger erwarten, weil immer noch viele Leute Permits aus den vergangenen beiden Jahren haben. Ich habe wieder einmal Bergsteiger mit unzureichender Höhenerfahrung an den Flanken des Everest gesehen. Und die meisten von ihnen waren mit Billiganbietern unterwegs, die über weniger Erfahrung verfügen. Auch die Frage der alpinen Erfahrung der Everest-Bergsteiger wird von der Regierung nicht geregelt. Es scheint, als dürfe jeder losklettern, der bereit ist, die 11.000 Dollar für das Permit zu zahlen. Warum macht man es nicht so wie die Chinesen, die von allen ihren Staatsbürgern fordern, vorher einen anderen Achttausender bestiegen zu haben, bevor sie ein Permit für die Nordseite erhalten?“

Barringer: „Müll auf dem Berg, unerfahrene Bergsteiger“

Adrian Ballinger versuchte in diesem Frühjahr zusammen mit seinem US-Landsmann Cory Richards, den Everest von Norden aus ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Per Snapchat ließen sie unter dem Hashtag #everestnofilter die Welt in Echtzeit an ihrem Aufstieg teilhaben. Adrian drehte auf etwa 8500 Metern um, als er bei sich erste Symptome der Höhenkrankheit feststellte, Cory erreichte den Gipfel. Ballingers Unternehmen Alpenglow Expeditions war auch mit einem kommerziellen Team am Berg. Das schrieb mir Adrian:

Adrian Ballinger

Adrian Ballinger

„2016 war eine großartige Saison für Alpenglow am Everest. 100 Prozent unserer kommerziellen Kunden (vier Kletterer, drei Sherpas) erreichten den Gipfel, bei sehr guten Bedingungen. Die Route auf der Nordseite war in einem sehr guten Zustand, und viel sicherer, als ich es auf der Südseite in den vergangenen acht Saisons erlebt habe. Das Fixseil-Team der CTMA (Chinese Tibet Mountaineering Association) hat größtenteils ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dennoch gibt es Probleme am Berg, die angesprochen werden müssen. Verantwortlich dafür sind Billiganbieter ohne westliche Bergführer. Zu diesen Problemen gehört, dass sie Müll und Fäkalien am Berg zurücklassen, unerfahrene Bergsteiger in ihren Teams zulassen und die Ressourcen anderer Teams nutzen, die ihnen selbst fehlen. Keines dieser Probleme ist unüberwindbar, aber es ist notwendig, Regeln für die kommerziellen Veranstalter aufzustellen und diese auch durchzusetzen.“

Brice: „Neue nepalesische Veranstalter mit zu wenig Sherpas“

Auch der Neuseeländer Russell Brice kann aus seiner Sicht als Chef des Veranstalters Himalayan Experience mit der Everest-Saison zufrieden sein. Sechs seiner Kunden, darunter auch der Deutsche Andreas Friedrich, erreichten mit ihren Sherpas, von Süden aufsteigend, den höchsten Punkt. Russ hat mich ermuntert, seine Saisonbilanz auf der Himex-Homepage zusammenzufassen. Das habe ich getan:

Russell Brice

Russell Brice

„Nachdem ich gesehen hatte, wie viele Menschen aufbrachen, um am 19. Mai den Gipfel zu erreichen, hat es mich nicht überrascht, was später in der Saison geschah. Es war „Business as usual auf dem Everest“, wie es in der Schlagzeile eines Artikels hieß. Aber ich frage mich wirklich, ob wir denn niemals aus den Fehlern der Vergangenheit lernen! Es gibt hier jetzt viele neue nepalesische Expeditionsanbieter. Wir stellen fest, dass sie nur über eine begrenzte Anzahl von Sherpas verfügen. Sehr häufig sind diese Teams nicht in der Lage, Sherpas bereitzustellen, um Ausrüstung auf den Berg zu schaffen und Fixseile anzubringen. Es war zwar eine demokratische Entscheidung, dass sich Sherpas aus neun verschiedenen Teams um das Anbringen der Fixseile bis zum Gipfel kümmerten, aber effizient war es nicht. Es wäre besser gewesen, wenn zwei oder drei Veranstalter für diese Aufgabe Sherpas abgestellt hätten, die sich gekannt und gut zusammengearbeitet hätten, und wenn es einen Sirdar oder Anführer gegeben hätte, dessen Anweisungen sie befolgt hätten. So wäre das Anbringen der Fixseile effizienter verlaufen. Es wäre schneller gegangen und hätte deswegen die Sherpas weniger in Gefahr gebracht.“

Datum

10. Juni 2016 | 16:31

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