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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Dujmovits: „Ziemlich von den Socken“

Blick vom Basislager auf den Gasherbrum VI

Blick vom Basislager auf den Gasherbrum VI

„Blöd, dass mir das gleich am Anfang passiert ist!“ Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger, ärgert sich, dass er sich beim Trekking über den Baltoro-Gletscher erst eine Durchfall-Erkrankung und dann noch eine starke Erkältung zugezogen hat. „Es geht mir zwar schon besser, aber ich merke, dass mir noch die Leistung fehlt“, erzählt mir Ralf, als ich ihn während einer Erkundungstour am Satellitentelefon erreiche. Der 54-Jährige und seine Freundin, die 47 Jahre alte kanadische Bergsteigerin Nancy Hansen, sind in den Karakorum gereist, um sich an gleich zwei unbestiegenen Bergen zu versuchen: zunächst am Gasherbrum VI (die Höhenangabe schwankt zwischen 6973 und 7004 Meter), dann nicht weit entfernt am Praqpa Ri (auch hier gibt es noch keine exakte Höhenangabe: 7134 bzw. 7152 Meter). Die beiden haben inzwischen ihr Basislager zu Füßen des Gasherbrum VI bezogen.

Ralf, wie habt ihr Pakistan bisher erlebt? Nach wie vor gilt das Land ja als Risikogebiet.

Nancy Hansen (im Hintergrund der 7000er Masherbrum)

Nancy Hansen (im Hintergrund der 7000er Masherbrum)

Wir sind überall herzlich empfangen worden. Als wir in Skardu (Stadt im Norden Pakistans, Ausgangspunkt der meisten Expeditionen im Karakorum) ein Polo-Spiel besuchten, riefen uns die Leute „Welcome“ entgegen. Nancy war dort die einzige Frau am Platz. Auch die Träger haben uns überall willkommen geheißen. Ich empfinde die Situation als sehr friedlich. Überall herrscht große Euphorie, dass in diesem Jahr erstmals wieder knapp 30 Expeditionen gekommen sind.

Mehr als 100 Bergsteiger haben sich in diesem Sommer alleine für den K 2 angemeldet. Habt ihr von dem Andrang bei eurem Trekking über den Baltoro-Gletscher schon etwas mitbekommen?

Nein. Wir haben ungefähr 30 Träger getroffen, die schon Material zum K 2-Basislager trugen. Aber ansonsten haben wir von dem Auflauf, der am K 2 erwartet wird, nichts mitbekommen.

Die letzten Sommer im Karakorum waren sehr warm. Wie ist es jetzt?

Heute ist es wieder fantastisch schön. Es macht uns fast Angst, hier auf 5000 Metern in dieser Affenhitze zu sitzen. Wir hatten jetzt anderthalb Tage schlechtes Wetter. In der Nacht hat es vielleicht eine Stunde lang geschneit, ansonsten immer geregnet. Und das Anfang Juni auf 5000 Metern! Es ist einfach viel zu warm.

Die Gasherbrum-Gruppe

Die Gasherbrum-Gruppe

Ihr habt inzwischen einen Blick auf euer erstes Ziel geworfen, den Gasherbrum VI. Welchen Eindruck habt ihr?

Bis zum Sattel unterhalb der Südwand sieht es ganz gut aus, auch von der Schneebedeckung. Es sieht aus, als könnten wir auf der linken Seite des Eisfalls, der vom Baltoro-Gletscher in dieses kleine Hochtal hinaufführt, ganz gut durchkommen. Von diesem Tal geht es dann über eine 45, 50 Grad steile Flanke in den Sattel auf 6100 Meter. Aber wir waren ziemlich von den Socken, als wir sahen, was uns darüber erwartet: viel Felskletterei. Wir hatten eigentlich mit mehr Eiskletterei gerechnet. Es ist vor allem ein Felsriegel oberhalb des Sattels, der uns zu denken gibt. Er zieht sich über die ganze Südwand, in einigen Bereichen sogar leicht überhängend. Noch sehen wir nicht, wie wir dort herüberkommen können. Aber wir sehen auch noch nicht den gesamten Felsriegel ein. Vielleicht gibt es weiter rechts einen Durchschlupf. Alles, was ich sehe, präsentiert sich mit deutlich weniger Schnee und Eis, als ich es von meinen letzten Besuchen in Erinnerung habe.

Wollt ihr den Berg im Alpinstil angehen?

Wir hatten ursprünglich vor, uns am Snow Dome (einem Gipfel nahe dem Siebentausender Chogolisa) zu akklimatisieren. Aber bei diesen Verhältnissen werden wir uns wohl am Gasherbrum VI richtig vorarbeiten und oberhalb des Sattels wahrscheinlich auch ein paar Meter Fixseil anbringen müssen. Ich habe das Gefühl, dass wir unseren ersten Gipfel eher nicht im Alpinstil angehen werden. Das wird wohl nicht möglich sein, weil es sich dort oben um ziemlich anspruchsvolles Felsgelände handelt. Wir hatten eigentlich geplant, in einem Zug vom Sattel zum Gipfel durchzusteigen. Aber es sieht nicht so aus, dass man in einem Rutsch durchkommt.

Ralf Dujmovits (r., mit Ashraf Aman, Chef von Adventure Tours Pakistan)

Ralf Dujmovits (r., mit Ashraf Aman, Chef von Adventure Tours Pakistan)

Wie viel Zeit nehmt ihr euch für den Gasherbrum VI? Ihr wollt euch ja anschließend auch noch am Parqpa Ri versuchen, einem anderen unbestiegenen Siebentausender nahe dem K 2.

Wir wollten hier am Gasherbrum VI eigentlich Ende Juni fertig sein. Sollte es jedoch aus gesundheitlichen Gründen oder wegen der Schwierigkeiten oben länger dauern, wäre das überhaupt kein Problem. Wir haben ausreichend Zeitreserve, so dass wir hier auch ein paar Tage dranhängen könnten. Wenn du nur zu zweit unterwegs bist, kannst du es ganz flexibel handhaben.

Sind die beiden unbestiegenen Siebentausender als Ziele für euch gleichwertig oder habt ihr eine Präferenz?

Während der Planung war Nancy eher vom Parqpa Ri begeistert, ich etwas mehr vom Gasherbrum VI. Aber ich denke, die Ziele sind ziemlich gleichgewichtig. Wir haben Lust darauf. Vor allem Nancy, die gesundheitlich total gut beieinander ist, will jetzt etwas voranbringen. Ich bremse sie momentan noch ein bisschen ein. Aber die Euphorie für beide Gipfel ist da. Und wir haben genügend Zeit für beide Ziele.

Datum

17. Juni 2016 | 12:36

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