Auch der Praqpa Ri bleibt unbestiegen
Es regnet – und das abends um 21 Uhr auf 5000 Metern im Karakorum. „Es ist unglaublich warm hier“, erzählt mir Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger, per Satellitentelefon aus dem Basislager zu Füßen des Praqpa Ri. „Wir haben bis weit in den Abend bei offenem Zelt zusammengesessen.“ Das ungewöhnlich warme Wetter hat für schwierige Verhältnisse an dem Siebentausender gesorgt, dessen Gipfel weiter unbetreten bleibt. Wie zuvor schon am ebenfalls unbestiegenen Siebentausender Gasherbrum VI mussten der 54 Jahre alte Deutsche und seine 47 Jahre alte kanadische Partnerin Nancy Hansen ihren Gipfelversuch abbrechen. „Wir haben um jeden Meter im Aufstieg gekämpft“, sagt Ralf. Vergeblich.
Ralf, wie hoch seid ihr diesmal gekommen?
Bis auf 6300 Meter. Wir hatten unseren ursprünglichen Plan geändert. Wir wollten über den linken Pfeiler klettern und dann über den überwechteten Grat zum Gipfel steigen. Wir hatten gehofft, auf der Rückseite der überhängenden Wechten entlang klettern zu können. Aber so weit sind wir gar nicht gekommen.
Habt ihr die falsche Route gewählt oder waren die Bedingungen einfach zu schlecht?
Die Schneebedingungen sind in diesem Jahr extrem schlecht. Wir haben es ähnlich angetroffen wie drüben am Gasherbrum VI: sehr viel Zuckerschnee, Schwimmschnee, in den du einbrichst, teilweise grundlos. Wir kletterten teilweise in sehr steilem Gelände, 70 bis 80 Grad, manchmal auch senkrecht.
Dort konntest du den Pickel waagerecht hineinschieben und den Arm noch gleich hinterher. Dann aber auch wieder Blankeis mit nur einem halben Meter Schneeauflage. Sehr wechselhafter, sehr schlechter Schnee. In den steilen Passagen haben wir teilweise eine Stunde für eine Seillänge gebraucht, weil wir uns im fast senkrechten Zuckerschnee hochbalancieren mussten. Bei diesen schlechten Verhältnissen ist uns einfach die Zeit weggelaufen.
Wie sah es mit der Lawinengefahr aus?
Die kam noch hinzu. Es handelt sich um einen Ostgrat. Ab 4.30 Uhr steht darauf die Sonne. Spätestens ab 9 Uhr hast du dann akute Lawinengefahr. Ständig rauscht rechts und links von dir der Schnee herunter. Wir sind eine Flanke mit einer Auflage von einem halben Meter Zuckerschnee aufgestiegen. Irgendwann ist die ganze Flanke abgerutscht. Jetzt ist dort nur noch eine riesige Blankeisfläche.
Was hat euch letztlich bewogen umzukehren? Habt ihr einfach zu lange gebraucht oder seid ihr wie am Gasherbrum VI an eine Stelle gekommen, die ihr nicht überwinden konntet?
Wir sind an einen Punkt gelangt, an dem Nancy gesagt hat: Das ist mir zu gefährlich. Sie stand 30 Meter über mir im Zuckerschnee, obenauf ein dünner Deckel härteren Schnees, 60 Grad Neigung. Ich hätte wahrscheinlich schon früher umgedreht.
Es lag also an den Verhältnissen, nicht an der Route?
Ich denke, bei guten Verhältnissen wären wir deutlich schneller vorwärts gekommen und hätten weitersteigen können.
Wenn du die beiden Versuche am Gasherbrum VI und Praqpa Ri vergleichst, wo wart ihr dem Erfolg näher?
Das kann man eigentlich nicht sagen. Wir waren an beiden Bergen noch 600 beziehungsweise 800 Höhenmeter vom Gipfel entfernt. Das ist noch ziemlich weit weg. In beiden Fällen war es uns einfach zu gefährlich.
Ihr habt euch erneut sechs Tage durch den Schnee gewühlt, um am Ende wieder einsehen zu müssen, dass es keinen Sinn hat. Wie sieht es jetzt in euch aus?
Wir hatten eine gute Zeit zusammen und haben es wirklich als schönes Abenteuer erlebt, extrem spannend. Trotz der ganzen Anstrengung und Härte haben wir es genossen und nehmen zwei schöne Bergerlebnisse mit nach Hause.
Und ihr seid heile heruntergekommen.
Ja, vor allem am Praqpa Ri waren wir am Ende wirklich froh, wieder unbeschadet das Basislager erreicht zu haben. Es war äußerst heikel.