More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Zum Tode Ueli Stecks: Einer der Besten, aber kein Hasardeur

Ueli Steck (1976-2017)

Ueli Steck ist tot. Abgestürzt irgendwo am Everest. Unglaublich, ich kann es gar nicht fassen. Was ist passiert? Die genauen Umstände sind noch nicht klar. Die Leiche des 40-Jährigen wurde irgendwo zwischen Lager 1 (6100 Meter) und 2 (6400 Meter) gefunden. Steck sei alleine am Nuptse geklettert, abgerutscht und rund 1000 Meter abgestürzt, berichtet die in Kathmandu erscheinende Zeitung „The Himalayan Times“. In der vergangenen Woche hatte Ueli noch via Facebook von einem „schnellen Tag“ berichtet, mal eben vom Basislager bis auf 7000 Meter und wieder zurück. Das angehängte Foto zeigte ihn mit Trailrunning-Schuhen. Typisch Ueli, twitterte ich mit einem Augenzwinkern – und dem Gedanken: Nur einer wie er kann das erlauben, „the Swiss Machine“, der „Speedy Gonzales“ unter den Höhenbergsteigern, unbestritten einer der Besten.

Risiko akzeptieren

Ueli am Everest oberhalb von Lager 2

Ich habe Ueli oft getroffen oder mit ihm telefoniert. Er scheute das Risiko nicht, aber er war auch kein Hasardeur. So hatte ihn wohl sein größter Coup, die Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand im Herbst 2013, sogar in eine tiefe persönliche Krise gestürzt: Er hatte das Gefühl, bei diesem Projekt die Schraube überdreht zu haben, weil er das Risiko eigentlich nicht mehr kontrollieren konnte. Risikomanagement war ein Thema, das ihn beschäftigte. „Sobald wir in die Berge gehen, egal auf welchem Niveau du es betreibst, besteht ein gewisses Risiko, dass ein Unfall passiert“, sagte er mir einmal. „Da gibt es für mich nur Schwarz-Weiß. Entweder ich akzeptiere das oder eben nicht. Wenn ich es nicht akzeptiere, darf ich nicht mehr in die Berge fahren. Und da sind mir halt das Bergsteigen und die Erlebnisse, die ich dabei habe, einfach zu wichtig und geben mir zu viel. Deshalb akzeptiere ich das Risiko.“

Ueli Steck: An der Annapurna, das war zu viel

„Mein Traumding“

Schnell unterwegs

Vor fünf Wochen, bevor Ueli Richtung Nepal abreiste, haben wir noch miteinander telefoniert. Er freute sich darauf, zum Mount Everest zurückkehren. Sein traumatisches Erlebnis dort im Frühjahr 2013 – den Angriff wütender Sherpas gegen ihn, Simone Moro und Jonathan Griffith im Hochlager – hatte er abgehakt. Voller Optimismus schaute er nach vorn. Sein Projekt, die Everest-Lhotse-Überschreitung, hatte es in sich, typisch Ueli halt: Über den selten begangenen Westgrat und das Hornbein-Couloir den Gipfel erreichen, dann zum Südsattel ab- , und (über die vom gebürtigen Kasachen Denis Urubko 2010 eröffnete Variante) zum 8611 Meter hohen Gipfel des Lhotse aufsteigen – wie immer bei seinen Achttausender-Projekten ohne Flaschensauerstoff.  „Das wäre mein Traumding“, sagte Ueli und blieb doch Realist: „Es müssen perfekte Verhältnisse herrschen, das Wetter muss gut und stabil sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass man Ideen hat, aber am Ende am Berg entscheidet, was möglich ist und was nicht.“

Auf der gleichen Frequenz

Auf schmalem Grat

Wir vereinbarten, wieder miteinander zu sprechen, wenn er seine Akklimatisationsphase am Everest beendet haben würde. Nun werden wir nie mehr miteinander sprechen können. Weder über seine Projekt und Träume, noch über alles andere. Das macht mich traurig. Nicht nur, weil er ein großartiger Bergsteiger war, sondern auch, weil ich das Gefühl hatte, dass wir auf der gleichen Frequenz funken. Ueli wird mir fehlen, meine Gedanken sind bei seiner Frau Nicole und seiner Familie.

Eine Katze hat sieben Leben, wie viele er denn habe, fragte ich Ueli einmal. Er nahm sich Zeit für die Antwort: „Ja, wie viele Leben habe ich? Ich habe jetzt schon ein paar Mal Glück gehabt. Aber ich zähle das nicht, da machst du dich nur verrückt.“

Ueli Steck: Hatte schon ein paar Mal Glück gehabt

Datum

30. April 2017 | 15:57

Teilen