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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Widerstanden

Durch den Weinberg

Die Versuchung wartete bei Kilometer 90, kurz hinter dem Ort Nierstein nahe Mainz. Wieder einmal war ich auf einer (diesmal zur Abwechslung vorbildlich beschilderten) Umleitung unterwegs und schon eine Weile durch Weinberge gefahren. In den Dörfern hatte ich viele Menschen gesehen, die gemütlich auf dem Hof von Straußwirtschaften bei Federweißem und Zwiebelkuchen saßen und es sich gut gehen ließen. Die Sonne lachte dazu. und ich dachte: Wäre ich nicht für „School up! River down!“ unterwegs und müsste Kilometer „fressen“, würde ich mir jetzt sicher die Zeit nehmen, selbst einzukehren. Ich blieb hart und radelte mit meinem Faltrad weiter. Hinter Nierstein, unterhalb des „Roten Hangs“  – benannt nach seinem Tonsandstein-Boden und bekannt wegen ausgezeichneter Riesling-Weine – blockierten etwa 30 Leute den Radweg.

Falsche Richtung

Weinausschank in Mainz

Als ich mich hindurchschlängelte, realisierte ich den Grund der Blockade: Winzer schenkten kostenlos Wein aus. Einer von ihnen sprach mich an: „Möchten Sie nicht auch ein Glas trinken?“ Unwillkürlich musste ich an Abdel-Kader Zaaf denken. Der algerische Radprofi hatte während einer Etappe der Tour de France 1950 zu tief ins Glas geschaut, hatte sich unter einen Baum gelegt, um den Rausch auszuschlafen, und war, nachdem er aufgewacht war, in die falsche Richtung gefahren. Ich lehnte also das freundliche Angebot ab. Später in Mainz passierte ich einen weiteren Wein-Ausschank, diesmal aber war die Versuchung nicht mehr ganz so groß. Schließlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon 111 Kilometer hinter mir und vor, noch ein, zwei Stunden weiterzufahren.

Eine Woche unterwegs

Diese Regenfront zog an mir vorbei 🙂

Neuneinhalb Stunden nach dem Aufbruch in Altrip nahe Ludwigshafen stieg ich in Bingen am Rhein entkräftet vom Rad. Der Blick auf den Tacho entschädigte mich: heute 149 Kilometer. Die letzten knapp 60 Kilometer hätte ich niemals geschafft, wenn ich hinter Nierstein weich geworden wäre. Dann hätte ich mich wahrscheinlich wie Abdel-Kader Zaaf schlafen gelegt – und wäre anschließend zurückgefahren. Eine Woche bin ich jetzt für „School up! River down!“ mit meinem kleinen Faltrad den Rhein hinunter geradelt. Die Bilanz: insgesamt 868 Kilometer, bisher keine nennenswerte Panne (zweimal sprang die Kette ab, aber das zählt nicht), und sturzfrei bin ich auch geblieben. So kann es weitergehen. Morgen in Richtung meiner Heimatstadt Köln.

Datum

17. September 2017 | 22:16

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