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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Nobukazu Kuriki stirbt am Everest

Nobukazu Kuriki (1982-2018)

Der japanische Bergsteiger Nobukazu Kuriki ist heute am Mount Everest tot aufgefunden worden. Der 35-Jährige hatte sich gestern aus Lager 3 auf 7400 Metern via Facebook gemeldet. Es sei hart, sagte Kuriki und versicherte, er werde vorsichtig sein. Heute früh informierte sein Team, dass es Nobukazu schlecht gehe und er deshalb absteige. Später reagierte er nicht mehr auf Funkrufe. Sein Kamerateam stieg Kuriki entgegen und fand den Bergsteiger leblos nahe Lager 2.

Fieber im Basislager

Kuriki im April auf dem Weg zum Everest

Der Japaner hatte sich in seiner Heimat per Hypoxietraining vorakklimatisiert, dann in Nepal im Eiltempo den 6038 Meter hohen Chulu Far East im Annapurna-Gebiet bestiegen und war anschließend durch das Khumbu-Gebiet zum Basislager gewandert. Dort angekommen, hatte ihn starker Husten und Fieber gebremst. Er habe noch immer leichten Husten, er sei aber fast weg, hatte Kuriki noch vor zwei Tagen auf Facebook gesagt.

Alleine und ohne Flaschensauerstoff

Kuriki im Herbst 2016 auf 6800 Metern in der Everest-Nordwand

Es war bereits Nobukazus achter Versuch am Everest. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, den höchsten Berg der Erde ohne Flaschensauerstoff und im Alleingang zu besteigen. 2017 hatte der Japaner erst durch die Nordwand klettern wollen. Wegen der schlechten Verhältnisse in der Wand wechselte er spät in der Frühjahrssaison von der Nord- auf die Südseite – mit dem Ziel, über den Westgrat und das Hornbein-Couloir im oberen Bereich der Nordwand zum höchsten Punkt auf 8850 Metern aufzusteigen. Schlechtes Wetter verhinderte sein Vorhaben. Zuvor hatte Kuriki sechsmal vergeblich versucht, den Everest im Herbst zu besteigen: fünfmal von der nepalesischen, einmal (2016) von der tibetischen Seite aus.

Nur noch ein kompletter Finger

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Im Oktober 2012 hatte der Japaner weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als er über den Westgrat aufgestiegen war. Der damals 30-Jährige hatte wegen Sturms nach eigenen Angaben auf einer Höhe von etwa 8000 Metern umkehren müssen. Beim Abstieg sandte Kuriki per Funk einen Notruf. Sherpas stiegen ihm entgegen, von Lager 2 auf 6400 Metern wurde er mit einem Rettungshubschrauber ausgeflogen. Kuriki bezahlte dieses Abenteuer mit schweren Erfrierungen. Neun Finger mussten fast auf ganzer Länge amputiert werden, Nobukazu blieben nur Stummel – und lediglich ein kompletter Daumen. Seinen Ehrgeiz, den Everest zu besteigen, stoppte dieses Handicap nicht. Ganz im Gegenteil.

Dujmovits: „Kein Harakiri-Typ“

Kuriki (l.) und Dujmovits (r.) im Frühjahr 2017

„Ich habe ihn nicht als einen Harakiri-Typen erlebt oder als Draufgänger“, sagt mir Ralf Dujmovits, der derzeit – wie berichtet – mit seiner Lebensgefährtin, der kanadischen Bergsteigerin Nancy Hansen für eine wissenschaftliche Studie einen Monat in einer Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln verbringt. Ralf hatte Kuriki im Frühjahr 2017 auf der  Everest-Nordseite getroffen. „Er war sympathisch, sehr offen und zugänglich, gut organisiert. Er hat mir auch zugehört.“ Auf Dujmovits‘ Rat hin hatte der Japaner schließlich seinen Plan aufgegeben, durch die Nordwand aufzusteigen.  Ich frage Ralf, ob Kuriki vom Everest besessen gewesen sei. „Wenn du solche Dinge machst, musst du leicht besessen von einer Idee sein“, antwortet Dujmovits. „Dass er immer allein unterwegs sein wollte, sagt auch einiges über ihn aus.“

Datum

21. Mai 2018 | 17:29

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