Nordlicht
Alix lacht häufig und gerne. Auch über sich und ihren plötzlichen „Ruhm“. Wie kann es sein, dass ein Nordlicht plötzlich Deutschlands erfolgreichste Höhenbergsteigerin ist, eine gebürtige Hamburgerin, die in Ahrensburg in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist und erst als Studentin ihre Liebe zu den Bergen entdeckte? „Das finde ich fast ein bisschen lustig“, sagt Alix von Melle mit einem breiten Grinsen (Unser Gespräch könnt ihr unter dem Artikel anhören).
Vier Achttausender hat die 39-Jährige bestiegen, einen mehr als Gaby Hupfauer, die zwei Jahrzehnte lang die Rangliste anführte. „Es macht mich schon stolz“, gesteht Alix. „Nicht die Zahl vier und auch nicht, dass ich jetzt die Erfolgreichste bin, sondern allein die Tatsache, dass ich vier Achttausender geschafft habe.“ Keine Bange, abheben wird sie deswegen nicht. Mit der Zeit, ist sich Alix sicher, werde der Rekord sowieso gebrochen. „Vielleicht von einer Profibergsteigerin, die mehrmals im Jahr unterwegs sein kann.“ Alix arbeitet in München als Pressesprecherin eines Outdoor-Unternehmen. Eine Expedition im Jahr, mehr geht nicht.
Je höher, je stärker
Alix hat in der bayrischen Landeshauptstadt Geographie studiert. In ihrer Freizeit fand sie zunächst Geschmack an Skitouren, dann an sommerlichen Hochtouren. Sie begann zu klettern. „Das hätte auch alles so bleiben können, bis Luis in mein Leben trat.“ Luis Stitzinger, Höhenbergsteiger, Extremskifahrer und Bergführer. Er lud Alix 2001 zu einer Expedition zum Aconcagua ein, dem mit 6962 Metern höchsten Berg Südamerikas. „Da habe ich mir gedacht, angucken kann ich es mir ja mal“, erinnert sich Alix und lächelt. Die beiden wurden eine Seilschaft – am Berg und im Leben.
Schon am Aconcagua merkte Alix, dass sie die dünne Luft bestens vertrug. Das hat sich bis heute nicht geändert. „Je höher ich steige, desto mehr drehe ich auf.“ Nach weiteren erfolgreichen Expeditionen zu Sechs- und Siebentausendern gelang ihr 2006 mit dem Gasherbrum II im Karakorum der erste Achttausender.
Alix fühlt sich in der Höhe (hier am Nanga Parbat) wohl
2008 folgte der Nanga Parbat. „Das war mein Prestigeberg. Ich bin ganz, ganz stolz, dass es geklappt hat“, erzählt Alix mit glänzenden Augen. 2009 bestieg sie den Dhaulagiri. 2010 scheiterte sie zunächst mit Luis am Makalu, ehe sie im Herbst am Cho Oyu erfolgreich war. Ihr vierter Achttausender war der erste, den sie ohne Luis bestieg. Ausnahmsweise, sagt Alix. „Ich hätte kein Problem damit, wenn er auch mal sechs Wochen Männerurlaub macht. Aber wenn einer ständig unterwegs wäre und der andere immer zu Hause bliebe, wäre das schwierig für eine Beziehung.“
Spaß, Lust und Leidenschaft
Als nun erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin steht Alix häufiger als früher im Rampenlicht. Unter Druck will sie sich aber nicht setzen lassen. „Ich möchte, dass es aus mir selbst kommt, dass es Spaß und Lust und Leidenschaft ist.“ Im Juni wollen Alix und Luis nach Pakistan aufbrechen, um sich am Broad Peak zu versuchen.
Alix mit Luis auf dem Nanga Parbat, ihrem „Prestigeberg“
Sie planten einfach von Jahr zu Jahr, versichert Alix. Vielleicht sei irgendwann ja auch der Mount Everest an der Reihe. „Er ist kein Berg, der mich unbedingt reizt. Aber wenn ich das Angebot zu einer Expedition erhielte, würde ich es wahrscheinlich machen. Letztendlich ist er halt doch der höchste Berg.“
Workaholic-Bremse
Das Ende ihrer Karriere als Höhenbergsteigerin ist laut Alix offen. „Vielleicht habe ich ja irgendwann einfach keine Lust mehr, acht Wochen im Jahr in meinem Zelt auf dem Gletscher zu hocken und einen Berg zu belagern.“ Noch aber genießt sie es, an den höchsten Bergen der Welt unterwegs zu sein. „Zu Hause bin ich ein Workaholic. Wenn ich aber aufbreche, bleibt die To-do-Liste zu Hause, und das Leben besteht nur noch aus Essen, Trinken, Schlafen, Lesen, Musik hören, Tagebuch schreiben und Bergsteigen.“ Aber das ginge doch auch gefahrloser. „Definitiv, ich könnte mich auch auf eine Nordseeinsel legen und baden gehen“, entgegnet Alix, plötzlich wieder ganz Nordlicht. Und lacht.