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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Walter Bonatti ist tot

Walter Bonatti bei einem VortragEr war ein Phänomen. Walter Bonatti gab das extreme Bergsteigen bereits mit 35 Jahren auf. Doch der Italiener geriet nie in Vergessenheit. Seine Routen waren und sind bis heute legendär. Mit 81 Jahren ist Bonatti am Dienstagabend in Rom gestorben. Die Bergsteiger-Szene verneigt sich vor einem ihrer Größten. „Walter Bonatti hat Grenzen verschoben. Er hat das Bergsteigen vorangebracht wie kaum ein anderer“, sagt Ueli Steck. Der Topbergsteiger der Schweiz ist nicht verschwenderisch mit der Zahl seiner Vorbilder. Bonatti gehört jedoch dazu.1951, mit 21 Jahren, gelang dem in Bergamo geborenen Bergsteiger seine erste bedeutende Erstbegehung. Mit Luciano Ghigo durchstieg er die Ostwand des Grand Capuzin im Mont-Blanc-Massiv. Bonatti galt als Shooting Star unter Italiens Bergsteigern. Nicht umsonst wurde er zur italienischen K 2-Expedition 1954 eingeladen, die mit der Erstbesteigung des zweithöchsten Bergs der Erde durch Achille Compagoni und Lino Lacedelli endete. Bonatti wurde dabei übel mitgespielt. Erst musste er für das Gipfelteam Sauerstoffflaschen bis auf 8000 Meter Höhe schleppen. Zusammen mit dem pakistanischen Träger Mahdi musste er auf 8100 Metern im Freien biwakieren, weil das Lager an anderer Stelle aufgebaut worden war wie vereinbart. Damit nicht wurde Bonatti anschließend sogar vorgeworfen, er habe durch sein Verhalten die Gipfelmannschaft gefährdet – absurd. Erst vor einigen Jahren rehabilitierte der italienische Alpenverein Bonatti umfassend und würdigte seine Verdienste bei der Erstbesteigung des K 2.

Alleingänge

Walter Bonatti mit drei anderen Bergsteigern 1955 auf der italienischen Seite des Mont Blanc

Bonatti (r.) 1955 am Mont Blanc

„Indem er andere beschuldigt, zeigt der Mensch nur seine Schwäche“, sagte Bonatti vor einiger Zeit in einem Gespräch mit Ueli Steck. „Der beste Ratgeber bist immer du selbst.“ Nach seiner bitteren Erfahrung am K 2 war Bonatti häufig alleine unterwegs. 1955 durchstieg er solo den Südwest-Pfeiler des Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet. Heute wird der Felssporn „Bonatti-Pfeiler“ genannt, in Erinnerung an dieses kühne Projekt. 1958 kehrte Bonatti nach Pakistan zurück und bestieg mit Carlo Mauri erstmals den Fast-Achttausender Gasherbrum II (7925 Meter). Es folgten weitere spektakuläre Touren in den Alpen. 1961 geriet Bonatti durch ein Drama in die Schlagzeilen: Bei einem Wettersturz am Freney-Pfeiler im Mont-Blanc-Massiv starben vier seiner sechs Mitstreiter. Bonatti überlebte mit Erfrierungen. Vier Jahre später setzte er ein letztes alpinistisches Glanzlicht: 1965 durchstieg der Italiener die Matterhorn-Nordwand. Im Winter, auf einer neuen Route und allein. Wieder meldeten sich Kritiker zu Wort, die einige Details seines Touren-Berichts anzweifelten.

Nur ein Haufen Steine

Bonatti hatte genug. Er sagte dem extremen Bergsteigen Adieu: „Es sind nicht die Berge, die mich enttäuschen und ermüden, sondern die dumpfe, plumpe und beschränkte Sicht einer bestimmten ‚Clique’, mit der ich immer eine gewisse formelle Beziehung zu retten versuchte. Jetzt aber bin ich nicht mehr bereit, sie weiter zu pflegen.“ Anschließend reiste Bonatti in entlegene Winkel aller Kontinente, fotografierte, schrieb Bücher und hielt Vorträge. Während andere prominente Bergsteiger gerne mit blumigen Worten ihre Liebe zu den Bergen schildern, blieb Walter Bonatti nüchtern: „Man vergesse nicht, dass die großen Berge lediglich den Wert haben, den der Mensch ihnen zumisst. Ansonsten bleiben sie nur ein Haufen Steine.“

P.S. Wir ihr seht, hat sich das Design des Blogs geändert. Beim Einfügen der alten Inhalte haben sich noch einige technische Probleme ergeben. Wir hoffen, sie bald lösen zu können.

Datum

15. September 2011 | 12:48

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