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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Tschüss China, hallo Kirgistan!

Verbotenes Bild: die chinesischen Grenze

Verbotenes Bild: die chinesischen Grenze

Achteinhalb Stunden Fahrt, drei Stunden Schikane, macht elfeinhalb Stunden unterwegs. So lautet die Rechnung am vorletzten Tag unserer Expedition. Wir brechen um acht Uhr früh in Kaschgar auf. Zum Glück scheint sich die Lage nach dem Mord am Imam der Stadt ein wenig entspannt zu haben. Die Straßensperren vom Vortag sind weggeräumt. Ohne Probleme verlassen wir die Metropole an der Seidenstraße. Am ersten von vier chinesischen Grenzkontrollposten – dort hatten wir auf der Hinreise viel Zeit verloren, weil die Grenzsoldaten geschlossen zum Abendessen abgerückt waren – läuft es überraschend glatt. Wir müssen zwar unsere gesamten Gepäckstücke durch den Scanner jagen, doch kein einziges öffnen. Die Grenzbeamtinnen, die unsere Pässe kontrollieren, lächeln sogar und suchen das Gespräch mit uns. Wo wir denn in China gewesen seien, will eine von ihnen wissen. Wir erklären ihr, dass wir den 7129 Meter hohen Kokodak Dome erstbestiegen haben. „Dafür braucht man Stärke und Selbstbewusstsein“, antwortet die junge Frau. Als ich als Letzter der Gruppe die Kontrollstelle passiere, wünscht sie mir noch eine angenehme Reise nach Kirgistan. Na also, es geht doch! Man muss auch als Grenzposten nicht immer aussehen und sich benehmen, als hätte man einen Topf Essig verschluckt.

Zweieinhalb Stunden Mittagspause

Fahrt durch Kirgistan

Fahrt durch Kirgistan

Den zweiten Posten, nur eine Passkontrolle, lassen wir wenig später ebenfalls in kurzer Zeit hinter uns. Doch damit reißt unsere Glückssträhne. Der dritte Posten ist verwaist, die Straße auf ganzer Breite abgesperrt, weit und breit keine Spur von einem Grenzbeamten. Als unser Busfahrer für uns eine Melone aufschneidet, kommt ein Soldat herbeigerannt und bedeutet ihm, bloß nicht die Schalen auf die Straße zu werfen. Wir werden also beobachtet. Aber es geschieht nichts. Geschlagene zweieinhalb Stunden warten wir, ehe eine Sirene mehrfach ertönt. Mittagsschlaf beendet, soll das wohl heißen. Immerhin müssen wir keine weitere Gepäckkontrolle über uns ergehen lassen. Zwei junge Soldaten, die grimmig dreinschauen und recht streng riechen, steigen in unseren Bus und begleiten uns zum Grenzzaun. Tschüss China, hallo Kirgistan! Als ich meinen Fuß wieder auf kirgisischen Boden setze, lasse ich einen kräftigen Juchzer los. Ich fühle mich wie befreit.

Außen pfui, innen hui

 Essen in Privatwohnung

Abendessen im privaten Ambiente

Hinter der Grenze steigen wir in zwei Busse der kirgisischen Partner-Trekkingorganisation. Betreut werden wir von Julia, der Zwillingsschwester von Shenia, die uns bei der Hinreise begleitet hatte und ihrer Schwester zum Verwechseln ähnlich sieht. Auch Julia spricht ausgezeichnet Deutsch, auch sie war als Au Pair in Deutschland. Am Abend erreichen wir Naryn, eine Kleinstadt auf halber Strecke zwischen der chinesischen Grenze und der Hauptstadt Bischkek. Wir essen nicht im Restaurant, sondern im Wohnzimmer einer kirgisischen Familie. Das Haus mit der bröckeligen Fassade und dem heruntergekommenen Treppenhaus hätten wir wahrscheinlich niemals betreten, doch in der Wohnung sieht es picobello aus. „Das Haus gehört der Regierung, deshalb wird draußen nichts renoviert. Aber in ihrem eigenen Reich machen es sich die Leute gemütlich“, erklärt Julia. Morgen werden wir noch einen kurzen Abstecher zum Issyk Kul machen, dem größten See Kirgistans, ehe wir gegen Abend in Bischkek eintreffen. Von dort aus werde ich mich noch einmal kurz melden, bevor wir am frühen Samstagmorgen nach Hause fliegen und damit das Abenteuer Kokodak Dome zu Ende geht.

Datum

31. Juli 2014 | 20:18

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