More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Ueli und der Everest

Uelis Blick geht meist nach oben

Das war erst der Anfang. Ueli Steck bestieg am 18. Mai mit seinem Kletterpartner, dem Sherpa Tenzing, den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff – eine absolute Ausnahme unter den 565 Gipfelerfolgen in diesem Frühjahr. „Ich wollte mich an die großen Höhen herantasten“, sagt Ueli (das Gespräch könnt ihr euch unten anhören). „Diese Erfahrung habe ich jetzt. Ich weiß, wie mein Körper funktioniert.“ Er wolle nun Sachen probieren, „wo du danach keine Diskussion hast, ob da Fixseile sind oder nicht.“

„Technisch einfach“

Der Topbergsteiger aus der Schweiz stieg auf der nepalesischen Südseite des Bergs über den Normalweg zum 8850 Meter hohen Gipfel auf. Er habe sich nicht in die Fixseile eingehängt, sagt der 36-Jährige. „Der Berg ist technisch so einfach. Wenn du ein bisschen gescheit mit Steigeisen gehen kannst, brauchst du kein einziges Fixseil. Auch am Hillary-Step kannst du rechts vorbeigehen, wenn du ein bisschen klettern kannst.“

Ueli füllt Hallen

Überhang, na und?!

Ich treffe Ueli in einer Kölner Kletterhalle. Hier will er sich noch ein bisschen bewegen, bevor er am Abend einen Vortrag hält. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Längst ist Steck nicht mehr nur Insidern bekannt. Schon seine Solo-Durchsteigung der Shishapangma-Südwand 2011 in nur zehneinhalb Stunden sorgte für viel Aufsehen. Und seit seiner Besteigung des Mount Everest ohne Atemmaske ist Ueli erst recht gefragt – vor allem wegen der diesjährigen Todesfälle am Everest und deren Begleitumstände: Lange Schlangen von Gipfelanwärtern, Stau an den Schlüsselstellen.

Massen umgangen

Hoch hinaus

„Mich hat dieser Trubel gar nicht gestört, weil ich immer azyklisch unterwegs war“, erzählt Ueli. „Wir haben bewusst probiert, die Massen zu umgehen.“ Mit Erfolg. Beim ersten Aufstieg zum knapp 8000 Meter hohen Südsattel zwecks Akklimatisierung seien Tenzing und er ganz alleine dort oben gewesen. Und auch am Gipfeltag „mit perfekten Wetterverhältnissen“ hätten sie einen Tag Vorsprung vor den vielen anderen gehabt. Erst im Abstieg passierte Ueli die schier endlose Schlange. „Ich habe nur gedacht, zum Glück war ich schon oben und kann jetzt runtergehen.“

Gehen, bis sie tot umfallen

Sicher herunter

Ihm sei zu diesem Zeitpunkt schon klar gewesen, dass einige der Gipfelanwärter nicht zurückkehren würden. „Da sind viele Leute, die den Mount Everest unbedingt besteigen wollen, aber keine Bergsteiger sind“, sagt Ueli. „Die verlassen sich auf den Sauerstoff, die Sherpas und die Infrastruktur. Und wenn das Kleinste passiert, sterben sie halt. Viele sind auch einfach nicht fit und gehen wirklich, bis sie tot umfallen.“ Die Kanadierin Shriya Shah-Klorfine etwa, die später ihren Gipfelversuch mit dem Leben bezahlte, habe schon für den Aufstieg nach Lager zwei etwa sieben bis acht Stunden gebraucht. „Da bist du, wenn du gemütlich läufst, in dreieinhalb Stunden oben. Diese Leute sind einfach fehl am Platz.“

„Everest gehört niemandem“

Kein Problem!

Ueli hält trotzdem nichts vom Vorschlag, den Zugang zum Mount Everest zu beschränken: „Das finde ich absoluten Schwachsinn. Der Berg gehört niemandem.“ Wen die Massen auf dem Normalweg störten, solle eben auf eine andere Route ausweichen. „Da ist kein Mensch, da kannst du für dich alleine gehen.“ Die Kommerzialisierung des Everest-Bergsteigens, findet Ueli, habe nicht nur Nachteile. „Viele einheimische Sherpas und Träger können gut davon leben, die sonst vielleicht nichts zu essen hätten.“

Im nächsten Frühjahr will Ueli zum Everest zurückkehren. Was genau er plant, verrät er nicht. „Man soll über das sprechen, was man gemacht hat und nicht, was man vorhat. In meinem Kopf habe ich noch so viele Ideen. Die werde ich nie alle umsetzen können.“

Ueli Steck und der Everest

Datum

24. November 2012 | 22:31

Teilen