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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Vor 150 Jahren: Erstbesteigung der Aiguille Verte

Aiguille Verte (Mitte) und Petit Dru (r.)

Aiguille Verte (Mitte) und Petit Dru (r.)

Wenn es wirklich so etwas wie ein „Goldenes Jahr“ des Bergsteigens in den Alpen gibt, dann war es 1865. Mehr als sechzig wichtige Erstbesteigungen gelangen an den höchsten Bergen Frankreichs, der Schweiz und Österreichs. Die spektakulärste war sicher jene des Matterhorns am 14. Juli. Doch auch die Jungfrau, das Wetterhorn, das Breithorn, der Ortler und der Piz Buin wurden 1865 erstmals bestiegen – und die Aiguille Verte, heute vor genau 150 Jahren. Am 29. Juni 1865 kurz nach zehn Uhr morgens erreichten der Brite Edward Whymper, der Grindelwalder Bergführer Christian Almer und sein Zermatter Kollege Franz Biner den 4122 Meter hohen Gipfel im Mont-Blanc-Gebiet. Die Erstbesteigung der „Grünen Nadel“ war eines der begehrtesten alpinistischen Ziele jener Tage.

Geheimtipp Südost

Aufstieg-Aiguille-Verte

Zeitgenössische Illustration der Erstbesteigung

„Wir kamen eine dreiviertel Stunde vor der Zeit an, die wir den Leuten im Tal angegeben hatten, zu der sie nach oben schauen sollten“, schrieb Whymper später. „Wahrscheinlich hat aber niemand hingesehen, weil sie nicht im Entferntesten daran glaubten, dass wir mehr Erfolg hätten als unsere Vorgänger. Aber das scherte uns nicht.“ Das Erfolgsgeheimnis des Trios lag darin, über die Chamonix abgewandte Südostflanke des Bergs aufzusteigen. „Es ist eigentlich überraschend, dass so gut wie niemand es bis dahin ernsthaft aus dieser Richtung versucht hatte“, wunderte sich Whymper.

Erstbesteigungen in Serie

Michel Croz, gezeichnet von Edward Whymper

Michel Croz, gezeichnet von Edward Whymper

Am 16. Juni, also knapp zwei Wochen zuvor, hatten die drei, zusammen mit dem französischen Bergführer Michel Croz aus Chamonix, bereits im Wallis den 3962 Meter hohen Grand Cornier erstbestiegen. Am 24. Juni erreichte die Viererseilschaft, ebenfalls erstmals, einen 4184 Meter hohen Nebengipfel (Pointe Whymper) der Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Gebiet. Der um 24 Meter höhere Hauptgipfel (Pointe Walker) wurde erst drei Jahre später erstbestiegen.

Wüste Beschimpfungen

Der Einheimische Croz, von dem sich Whymper regelmäßig führen ließ, fehlte bei der Erstbesteigung der Aiguille Verte, weil er in Chamonix auf einen Kunden warten musste. Dass ein britischer Bergsteiger, geführt von zwei Schweizern, den Berg geschafft hatte, sorgte für einen Aufschrei unter den  Bergführern von Chamonix. Whymper und Co. sahen sich wüsten Beschimpfungen ausgesetzt. Die Einheimischen zweifelten den Gipfelerfolg an. Einer der Rädelsführer wurde sogar festgenommen.

Die Wogen glätteten sich ers wieder, als Michel Croz am 5. Juli 1865 die zweite Besteigung der Aiguille Verte gelang, über eine neue anspruchsvolle Route, den Moinegrat. Croz führte dabei unter anderen den Engländer Charles Hudson. Neun Tage danach gehörten beide auch zu den Erstbesteigern des Matterhorns, überlebten den Coup aber nicht. Doch dazu später.

Datum

29. Juni 2015 | 14:53

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