Dujmovits: „Jeder will der Erste auf dem Nanga Parbat sein“
Auch Ralf Dujmovits gehört zu den vielen Bergsteigern, die schon einmal im Winter am Nanga Parbat gescheitert sind. Der erste und bisher einzige Deutsche, der alle 14 Achttausender bestieg, versuchte sich zur Jahreswende 2013/2014 an dem 8125 Meter hohen Berg in Pakistan, nachdem er sich zuvor am 6962 Meter hohen Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas, akklimatisiert hatte. Ralf brach seine Expedition damals schnell ab, weil er das Eisschlag-Risiko auf der Messner-Route für zu groß hielt. Ich traf den 54-Jährigen diese Woche auf der Sportartikelmesse ISPO in München.
Ralf, im Augenblick ist richtig viel los am Nanga Parbat. Juckt es dich da nicht, auch noch einmal dorthin zu reisen?
Natürlich juckt es mich, aber ich weiß auch, wie kalt, hart und schwierig die Zeiten am Nanga Parbat sein können. Insofern bin ich ganz froh, dass ich den Winter im Süden beim Klettern genossen habe. [Ralf kehrte Mitte Januar mit seiner Partnerin, der kanadischen Kletterin Nancy Hansen, von einer Reise aus Südostasien zurück]. Trotz allem juckt es mich so sehr, dass wir überlegen, möglicherweise im kommenden Winter noch einmal dorthin zu gehen. Ich würde schon ganz gerne die Erfahrung, die ich am Nanga Parbat gesammelt habe, für eine – im Idealfall erfolgreiche – Winterbesteigung nutzen.
Dujmovits: Vielleicht im kommenden Winter
Aber ihr müsstet euch darauf einstellen, dass es voll wird. Man hat das Gefühl, dass der Nanga Parbat im Winter von Jahr zu Jahr für Profibergsteiger attraktiver wird.
Das Ganze schaukelt sich hoch. Es sind mit dem K 2 und dem Nanga Parbat nur zwei Achttausender übrig, die noch nicht im Winter bestiegen wurden. Da wollen natürlich viele dabei sein. Ich denke, es ist gut, wenn man viel Erfahrung mitbringt, auch aus dem Sommer. Dann weiß man schon einmal, wo es lang geht und was auf einen zukommt. Insofern würde ich mir ausrechnen, gute Karten zu haben – wenn es von den Verhältnissen am Berg her passt.
Auch diesmal waren und sind schon viele erfahrene Bergsteiger dort, auch viele Nanga-Parbat-Erfahrene. Nehmen wir nur Tomek Mackiewicz, der sich bereits den sechsten Winter in Folge an dem Berg versucht hat, oder auch Simone Moro, ein sehr erfahrener Winterbergsteiger. Trotzdem beißen sich, wie es derzeit aussieht, wieder einmal alle die Zähne aus. Was macht den Nanga Parbat im Winter so schwierig?
Ich glaube, dass nach wie vor der Fehler gemacht wird, dass die Leute unzureichend akklimatisiert am Berg unterwegs sind. Es gab jetzt ein für den Winter relativ langes Gutwetterfenster, und wieder konnte es nicht genutzt werden. Einzelne, die sich zurzeit am Nanga Parbat versuchen, haben sich an 6000 Meter hohen Bergen gut vorakklimatisiert. Trotz allem glaube ich, dass nach wie vor die Akklimatisation nicht ausreichend ist, um schnellstmöglich aufsteigen zu können. Da liegt der Hund begraben. Wenn die seltenen Gutwetterfenster gebraucht werden, um sich weiter zu akklimatisieren, geht sehr viel wichtige Zeit verloren.
Dujmovits: Nicht ausreichend akklimatisiert
Es wird ja immer auch ein bisschen mit der Routenwahl experimentiert, diesmal mit Varianten der Schell-Route oder der Messner-Route. Auf welcher Route siehst du die besten Chancen?
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine Winterbesteigung über die Rupal-Seite nicht möglich ist, weil man oben am Mazeno-Kamm rauskommt, der sehr weit weg vom Gipfel liegt. Man muss eine sehr lange Traverse Richtung Gipfeltrapez machen. Dort gibt es im Winter fast immer durchgängig Blankeis. Für diese Traverse in großer Höhe braucht man dann einfach zu viel Zeit. Wenn überhaupt, findet man den Erfolg auf der Diamir-Seite. Dort ist die Messner-Route, ganz auf der linken Seite der Diamir-Flanke, wahrscheinlich am vielversprechendsten. Oder die ganz klassische Kinshofer-Route, die aber mit Fixseilen abgesichert werden muss, weil sie in langen Bereichen sehr steil ist und damit im Winter Blankeis hat.
Du hast gesagt, du liebäugelst mit dem Gedanken, noch einmal im Winter zum Nanga Parbat zurückzukehren. Ist die Motivation raus, wenn es jetzt doch jemand schaffen sollte?
Natürlich wäre es für alle, die jetzt unterwegs sind, wahrscheinlich das Allergrößte, als Erster im Winter dort oben zu stehen. Man würde sich in die Tasche lügen, wenn man das leugnet. Ich war schon auf dem Gipfel des Nanga Parbat, ich kenne den Berg sehr gut, ich muss nicht unbedingt ein zweites Mal oben stehen. Wenn ich es noch einmal probieren würde, dann stünde das Ziel ganz klar im Vordergrund, es als Erster schaffen zu können. Wenn es in diesem Winter jemand packen sollte, würde ich wahrscheinlich nicht mehr hingehen.
Dujmovits: Nicht in die Tasche lügen
Ich glaube, ich bin über das Alter hinaus, um ihn im Winter in Angriff zu nehmen. Der K 2 ist noch einmal mindestens eine Dimension schwieriger als der Nanga Parbat. Und wenn sich schon so viele am Nanga Parbat die Zähne ausbeißen, glaube ich, dass es am K 2 noch viel, viel extremer wird.
Der Everest ist noch höher. Ist er für dich nun endgültig gestorben?
Ich habe mir für 2016 ein Everest-Ruhejahr verordnet. [Der Everest war 1992 der einzige Achttausender, an dem Ralf eine Atemmaske benutzte. Siebenmal versuchte er seitdem vergeblich, den höchsten Berg der Erde ohne Flaschensauerstoff zu besteigen.] Wir haben aber vor, 2017 noch einmal hinzufahren. Ich habe mir die Idee, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, immer noch nicht aus dem Kopf geschlagen.
Du machst eine Everest-Pause, hast aber doch sicher andere Ideen für dieses Jahr?
Ich habe noch andere Pläne. Es gibt noch unbestiegene Siebentausender. Einer davon steht in Pakistan. An dem würden wir uns gerne im Juni versuchen.
Du verrätst aber nicht, an welchem?
Nein, da lassen wir im Moment noch nichts raus.