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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Halbfinal-Triumph mit Fortsetzung

Jan und Ursel bekennen Farbe

Jan und Ursel bekennen Farbe

Ein perfekter Tag beginnt mit einer perfekten Nachricht. Eigentlich will ich direkt nach dem Wachwerden eine Satellitenverbindung aufbauen, um im Internet nachzusehen, wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im WM-Halbfinale gegen Brasilien abgeschnitten hat. Schließlich war der Anstoß in Belo Horizonte in Kirgistan um 2 Uhr nachts und wir zählten zu dieser Zeit die Schäfchen. Doch ich komme nicht rechtzeitig aus dem Schlafsack, weil ich schlecht geschlafen habe. Vielleicht waren meine Gedanken doch bei der WM in Brasilien. Als ich die Jurte betrete, in der wir frühstücken, werde ich gleich mit der Frage empfangen, ob ich schon online war. Kleinlaut muss ich gestehen, dass ich verschlafen habe. Meinen Milchreis schlinge ich mehr in mich hinein, als dass ich ihn esse und verschwinde bald wieder in meine Schlafjurte. Als die Satellitenverbindung steht, traue ich meinen Augen nicht: 7:1 für Deutschland! 7:1? Unglaublich. Eine zweite Quelle, wieder 7:1. Als ich in die Frühstücksjurte zurückkehre, mache ich es ein bisschen spannend, indem ich eine Schlagzeile zitiere: „Das Wunder von Belo Horizonte“. Als ich das Ergebnis hinterherschicke und die Torschützen nenne, wird es laut in der Stille Kirgistans. „Das gibt es doch gar nicht!“ – „Wahnsinn!“ – „Und Klose hat jetzt auch noch den WM-Torrekord!“ Nur Churchy ist nicht begeistert: „Das wäre uns Österreichern nicht passiert. Das gehört sich nicht, den WM-Gastgeber mit 7:1 abzufertigen. Ein 4:0 hätte es auch getan. Respektlos!“ Viele Anhänger findet Churchy mit dieser Ansicht in der allgemeinen Euphorie nicht. 

Mit Badeschlappen auf den Berg

Auf 4120 Metern

Auf 4120 Metern

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus nach Tash Rabat. Wir brechen zu einer weiteren Wanderung auf. Ziel ist ein über 4000 Meter hoher Pass. Der Himmel präsentiert sich in WM-Laune: keine Wolke und blau, als hätte er den Wahnsinnserfolg der deutschen Mannschaft mitgefeiert. Heute begleitet uns Juri, der Chef unseres Jurtencamps. Ich komme mir mit meinen Wanderschuhen ziemlich „overdressed“ vor, als er schon bald seine Turnschuhe aus- und blaue Badeschlappen anzieht. Ich frage Juri, ob hier, in dieser traumhaften Almlandschaft, auch Kirgisen wandern gehen. „Nein, nur Trekkingtouristen aus dem Ausland“, erzählt er. „Meine Landsleute fahren mit dem Auto bis zur Karawanserei – und dann wird getanzt, getrunken und gefeiert. Die Russen machen das auch so.“ Seit zehn Jahren verbringt Juri die Sommer hier oben in seinem Camp. „Wir haben ausreichend Gäste, mir gefällt das.“ Den Rest des Jahres arbeitet er in einer Zuckerfabrik in seinem Heimatort nahe Bischkek – für einen Monatsverdienst von umgerechnet 120 Dollar. Im benachbarten Kasachstan könne er für die gleiche Arbeit 1000 Dollar verdienen, sagt Juri. „Aber ich fühle mich hier in Kirgistan wohl und bin lieber neun Monate lang bei meiner Frau, meiner Tochter und meinem Sohn.“

Versteinerungen am Gipfel

Märchenwiese

Märchenwiese

In seinen Badeschlappen ist er nicht langsamer als wir. Ich merke, dass ich die vergangene Nacht schlecht geschlafen habe. Ich muss schon ein wenig quälen, um zur Mittagszeit den 4020 Meter hohen Pass zu erreichen. „Wir nennen ihn Panorama-Pass“, sagt Juri. Der Grund liegt vor unseren Augen: im Tal der drittgrößte See des Landes, der Tschatyr Köl, dahinter die schneebedeckten Berge des Pamir. Auf dem Pass haben wir tatsächlich Handy-Empfang. Einige nutzen die Gelegenheit, kurz in der Heimat anzurufen oder Kurznachrichten zu schicken. Nach einer kurzen Pause besteigen wir noch einen benachbarten Hügel, 4120 Meter hoch. Churchy jodelt vor Freude: „Ist das schön hier!“ Am höchsten Punkt finden einige aus unserer Gruppe Felsbrocken mit maritimen Versteinerungen. Beim Abstieg zeigt uns Juri noch einen weiteren traumhaften Platz: einen kleinen Wasserfall in einem Mini-Canyon. Einfach nur schön. Bevor wir ganz ins Tal absteigen und unsere Akklimatisierungstour nach acht Stunden beenden, gönnen wir uns noch ein kurzes Sonnenbad auf einer Wiese. Einige nutzten die Pause, um ein kurzes Nickerchen zu machen. „Heute ist wirklich ein perfekter Tag“, schwärme ich. „Diese Wanderung – und nicht zu vergessen gleich am Morgen die Nachricht vom 7:1-Halbfinalsieg der deutschen Mannschaft!“ Churchy dreht sich um und kommentiert grinsend: „Bis eben war der Tag noch perfekter!“

P.S. Solltet ihr noch Schwierigkeiten mit den Namen der Expeditionsteilnehmern haben, findet ihr sie auf der rechten Blogseite (Das Team).

Datum

9. Juli 2014 | 17:16

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