Schwierige Leute
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Das gilt auch für die Bewohner von Kakkot, unserem letzten Lagerplatz in der Zivilisation, bevor wir in drei Etappen zum Putha-Hiunchuli-Basislager aufsteigen. „Die Leute sind sehr unangenehm“, erzählt Pemba. „Als ich das erste Mal hier war, haben sie mich ganz übel beschimpft.“ Bis Kakkot wurde unser Gepäck mit 36 Maultieren transportiert, von nun an übernehmen Träger und Yaks diese Arbeit. Die Bewohner des Dorfes beanspruchen darauf ein Monopol. Sie sehen nicht ein, dass die Regierung in Kathmandu Gebühren dafür nimmt, dass Bergsteiger den Putha Hiunchuli besteigen. Schließlich sei er doch ihr Berg.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
„Ich habe versucht, ihnen klarzumachen, dass sie die Expeditionen als Chance sehen sollten, Geld zu verdienen.“ Pemba schüttelt den Kopf. „Sie haben entgegnet, sie hätten genug Geld. Und sie bestimmten die Preise.“ Es sei vorgekommen, dass sie für eine Last dreimal so viel verlangt hätten wie sonst üblich. „Wenn ich das nicht akzeptierte, drohten sie mit Gewalt. Sie sagten, niemand merke, wenn ich im Fluss landete.“ Inzwischen kennen die Kakkoter den jungen Sherpa, der sich nicht so leicht einschüchtern ließ. „Einem ihrer Anführer bringe ich immer kleine Geschenke für seine Kinder mit. Seitdem ist es nicht mehr ganz so schlimm.“
Tibet lässt grüßen
Ganz wohl fühlt sich Pemba jedoch immer noch nicht, wenn er an die Verhandlungen in Kakkot denkt. Als Brigitte gestern Kindern am Wegesrand Bleistifte schenkte, meinte er: „Hebe sie besser für Kakkot auf!“ Der erste Eindruck, der sich uns bietet, als wir das Dorf erreichen, deckt sich nicht mit dem schlechten Ruf, den die Bewohner genießen. Wir werden freundlich begrüßt. Vor allem zwei Dinge fallen auf: Die große Zahl der kleinen Kinder – und die sehr solide Bauweise der Häuser. Sie sind akkurat gemauert und erinnern an Tibet. Das ist kein Zufall. Die Dolpo-Region gehörte jahrhundertelang zu Tibet. Die Menschen in Kakkot sprechen nicht Nepali, sondern immer noch Tibetisch.
Liebespilze
Das Geld der Expeditionen benötigen sie wirklich nicht. In den Bergen um Kakkot wächst eine seltene Pilzart, die sich als Aphrodisiakum für einen Kilopreis von bis zu 10.000 Euro nach China verkaufen lässt. Ein Bewohner des Dorfes ließ sich kürzlich mit dem Hubschrauber nach Nepalgunj fliegen, um sich dort in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Weil er mit dem Service nicht zufrieden war, ließ er sich per Helikopter nach Kathmandu befördern und anschließend wieder nach Kakkot. Für die Erziehung ihrer Kinder geben die Menschen das Geld jedoch nicht aus. Das Dorf hat zwar eine neue Schule, das Geld dafür bezahlte aber eine französische Hilfsorganisation.
Für den Weg nach Kakkot benötigten wir heute – inklusive einem kleinen Umweg, der nicht ganz geplant war – fünf Stunden. Morgen haben wir Ruhetag. Der kommt zur rechten Zeit. Einige Expeditionsteilnehmer können dann ihre Erkältungen auskurieren. Die ungewöhnliche, schweißtreibende Hitze verbunden mit teilweise frischem Wind hat doch dem ein oder anderen einen Infekt beschert. Pemba kann sich nicht ausruhen. Die Verhandlungen mit den Bewohnern von Kakkot werden wahrscheinlich den ganzen Tag über andauern.
P.S. Auf dem Hang, den wir am Sonntag hinaufsteigen werden, wachsen angeblich auch die seltenen Pilze. Ich nehme noch Bestellungen entgegen. 😉