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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Ruhe vor dem ersten Sturm

Lagerplatz siehe unten (l.)

Gäbe es keine Ruhetage, man müsste sie erfinden. Der Mensch kann nicht immer Vollgas geben. Manchmal gehört er in die mentale Garage. Wir genießen die Muße am Lagerplatz in Kakkot auf 3300 Metern. Morgen stehen uns 1200 Meter im Aufstieg bevor. „Das wird einer der härtesten Tage auf dieser Expedition“, sagt Herbert. Denen, die über Husten oder Schnupfen klagen, legt der Expeditionsleiter ans Herz, sich auszukurieren. „Nur wer sich absolut fit fühlt und wirklich Lust dazu hat, sollte an unserer kleinen Akklimatisationswanderung teilnehmen.“

Gut versteckt

 

Pemba (r.) kennt sich aus

Zu siebt brechen wir schließlich auf: Marianne, Roland, Michael, Sergio, Herbert, Pemba und ich. Wir steigen auf einen Aussichtshügel, der sich 300 Meter über das Tal erhebt. Ich genieße es, nach der Schlepperei der vergangenen Tage (Wie oft habe ich die schweren elektronischen Geräte auf meinem Rücken verflucht!) mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein. Auf einem staubigen Pfad gelangen wir gemütlich innerhalb einer Stunde zum höchsten Punkt. Gebetsfahnen wehen im Wind. Von hier aus öffnet sich der Blick auf einige Gipfel der Dhaulagiri-Gruppe. „Unser Berg“, der Putha Hiunchuli, versteckt sich jedoch hinter der Bergflanke, die wir morgen hinaufsteigen werden. „Der steile, schneebedeckte Gipfel, den ihr sehen könnt, ist der Siebentausender Churen Himal“, erklärt Pemba.

Dreimal ist göttlich

 

Rechts geht es morgen hoch

Unser zweiter Climbing Sherpa kommt aus dem selben Dorf unterhalb von Lukla wie Pemba Jangbu. Auch er kann bereits auf einige erfolgreiche Expeditionen zurückblicken. Der 35-Jährige hat in diesem Jahr den Mount Everest von der tibetischen Nordseite, 2010 von der nepalesischen Südseite aus bestiegen. Auch auf dem Gipfel des Putha Hiunchuli stand Pemba bereits zweimal, 2009 und 2010. „Vielleicht in diesem Jahr zum dritten Mal“, sagt der Sherpa und lacht. „Das ist kein technisch schwieriger Berg.“ Aber verdammt hoch, denke ich, zumindest für einen Flachlandtiroler wie mich. Stolz zeigt mir Pemba auf dem Minibildschirm seiner Digitalkamera ein Gipfelfoto vom Everest und ein Bild seiner Familie. Pemba und seine Frau haben einen zehnjährigen Sohn und eine sechsjährige Tochter. Während der Expeditionssaison im Frühjahr und Herbst leben sie in Kathmandu, den Rest des Jahres in ihrem Heimatdorf im Solu Khumbu.

Wasch-Bären

 

Ruhetag ist auch Waschtag

Nachdem wir die Aussicht genossen haben, steigen wir wieder ins Tal hinab. Mein Zeltpartner Sergio und ich beschließen, die Zeit bis zum Mittagessen zu nutzen, um ein Bad im eiskalten Bergbach zu nehmen, der an unserem Lagerplatz vorbeifließt. Anschließend waschen wir noch ein paar T-Shirts, Unterwäsche und Socken. „Jetzt stinke ich nicht mehr wie ein Bär“, sagt Sergio zufrieden. Wir fühlen uns fast wie neu geboren. Blöd nur, dass wir die Klamotten morgen wieder durchschwitzen und uns ziemlich schnell in müffelnde Bären zurückverwandeln werden. Aber Ruhetage wären schließlich nur halb so schön, wenn sie zur Regel würden.

Datum

8. Oktober 2011 | 12:25

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