Durchbeißen auf der Königsetappe
„Vergesst nicht, dass wir einen Siebentausender besteigen wollen. So ein Berg zeigt eben ab und zu seine Zähne.“ So stimmt uns Expeditionsleiter Herbert nach dem Frühstück ein. „Am Ende aber haben hoffentlich wir das letzte Wort.“ Die heutige Etappe hat es in sich: 1300 Höhenmeter netto, acht bis neun Stunden werden wir unterwegs sein.
Um sieben Uhr verlassen wir Kakkot. Wenig später überqueren wir den Fluss und beginnen unseren Aufstieg. Auf Yak-Pfaden gewinnen wie rasch an Höhe. Auf etwa 4000 Metern spüre ich erstmals, dass mein Körper auf die immer dünnere Luft reagiert. Der Atem geht schneller, die Oberschenkel werden schwer. Kopfschmerzen bleiben Gott sei Dank zunächst aus. Offenbar hat sich das Hypoxietraining vor der Expedition gelohnt. Gegen elf Uhr erreichen wir auf 4300 Metern einen Sattel unter einer Felsformation. Eigentlich hatte ich gedacht, wir würden dort ins Nachbartal wechseln und zu unserem Lagerplatz absteigen. Weit gefehlt.
Hinauf zum Pass, wo Brigitte schon wartet
Wir klettern einen Felsgrat empor. Vor zehn Jahren – damals noch mit Höhenangst – hätten mich da keine zehn Yaks hinaufgebracht. Rechts und links geht es Hunderte von Metern steil bergab. Der Pfad ist allerdings breit genug, so dass ich mich, an die Stöcke geklammert und mit wackligen Knien, hinaufschwindeln kann. Oben angelangt, räume ich ein, dass der Grat nicht gerade mein bevorzugtes Terrain gewesen sei. Norbert winkt ab: „ Ach, da hätte man doch mit dem Mountainbike herauf fahren können.“ Das unterscheidet halt Österreicher und Rheinländer.
Nach acht Stunden erreichen wir die Alpe Pangzi – zeitgleich mit der Yakherde, die unser Gepäck herauftransportiert hat. Treiber und Tiere sind drei Stunden nach uns aufgebrochen, haben allerdings einen anderen Weg gewählt. Wir haben den Grat überschritten, um uns besser zu akklimatisieren. Als wir unsere schweren Taschen zu den Zelten schleppen, macht sich die ungewohnte Höhe von 4600 Metern bemerkbar: Wir schnaufen wie alte Lokomotiven.
Ich ziehe den Hut vor den Expeditionsteilnehmern, die trotz Schnupfen oder Husten die heutige Etappe geschafft haben. Die Berge haben wirklich ihre Zähne gebleckt. Ich musste ganz schön beißen, um dagegen zu halten. Aber jetzt gehe ich auf dem Zahnfleisch. Zeit alle Viere von mir zu strecken.