Folgenlos
„Es können sich über den Bergen einige Quellwolken bilden. Sie bleiben aber folgenlos.“ Der Wetterbericht verspricht einen fast idealen Tag für Bergtouren. Nach einer sehr wechselhaften Periode sollen der Himmel aufklaren und die Temperaturen in fast sommerliche Höhen steigen: „Im Norden Tirols können sich einige Nebelfelder halten, die sich aber im Laufe des Vormittags auflösen.“ Wir beschließen, die 1997 Meter hohe Pyramidenspitze im Zahmen Kaiser zu besteigen und – was unserem Urlaubs-Biorhythmus entgegenkommt – nicht allzu früh aufzustehen. Schließlich wollen wir die Aussicht genießen und nicht im Frühnebel den Gipfel erreichen. Der Aufstieg „nur für Geübte“ auf einem gesicherten Steig durch die Felsen dauert rund vier Stunden, verkündet der Wegweiser im Tal.
Petrus’ schlechter Witz
Wir brechen um acht Uhr auf. Von Nebelschwaden keine Spur, hellblauer Himmel, Kaiserwetter am Zahmen Kaiser. Schnell gewinnen wir an Höhe. Beim Einstieg in die Felspassagen lugt eine Miniwolke über den Gipfelgrat. Hey Petrus, toller Witz! Sorgen machen wir uns nicht. Bis wir den höchsten Punkt erreichen, hat die Sonne diesem Wölklein sicher den Garaus gemacht. Wir konzentrieren uns auf den an einigen Stellen ausgesetzten Steig und vergessen für eine Weile den kleinen Störenfried am Himmel.
Getrübte Freude
Der wird jedoch umso größer und aufdringlicher, je näher wir dem Grat kommen. Als wir die Felsschneide schließlich erreichen, hat uns die Wolke umfangen. Der Blick in den Abgrund auf der Gegenseite endet nach wenigen Metern im dichten Nebel. Auch die letzten Meter legen wir im Wolkenpuffer zurück. Die Freude am Gipfelkreuz ist im wahrsten Sinne des Wortes getrübt. Statt ein beeindruckendes 360-Grad-Panorama genießen zu können, jausen wir in der Nebelbox, bei hochsommerlichen acht Grad Celsius. Als wir nach dem Abstieg auf der Gegenseite Stunden später mit müden Beinen zum Ausgangspunkt unserer Tour zurückkehren, haben sich auch die letzten Quellwolken verzogen. Folgenlos.