Der Manaslu ist kein Killerberg
Ist der „Berg der Seele“ nun zum „Killerberg“ mutiert? Dieser Eindruck könnte sich aufdrängen angesichts der Schlagzeilen zum Lawinenunglück am Manaslu. Vor fünf Jahren war ich selbst am achthöchsten Berg der Erde unterwegs. Im Basislager (4850 Meter) und bei einem Aufstieg bis Lager eins (5700 Meter) sammelte ich meine eigenen Manaslu-Erfahrungen. Dass jeder Achttausender tödliche Gefahren birgt, weiß jeder Bergsteiger. Und auch aus unserer Gruppe hatten damals zwei Teilnehmer großes Glück, dass sie dieses Abenteuer schadlos überstanden. Aber der Manaslu ein Killerberg? Nein, sage ich. Trotz des tragischen Lawinenunglücks vom Sonntag. Auch die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Von Platz fünf auf sechs
Um zu ermitteln, welcher der 14 Achttausender der gefährlichste ist, wird gewöhnlich die Zahl der Todesfälle in Relation gesetzt zur Zahl der Aufstiege. Danach war im Jahr 2008 die Annapurna der mit deutlichem Abstand gefährlichste Bergriese, gefolgt vom K 2, dem Nanga Parbat und dem Kangchendzönga. Erst auf Platz fünf rangierte damals der Manaslu. Zusammengetragen hatte diese Zahlen vor vier Jahren Eberhard Jurgalski, ein äußerst akribischer Himalaya-Chronist aus Lörrach in Baden. Ich habe Eberhard heute gefragt, ob der Manaslu in jüngerer Vergangenheit – rein faktisch betrachtet– gefährlicher geworden sei. „Nein. 2011 ist er sogar auf den sechsten Platz abgerutscht“, antwortet Eberhard. Das liege auch daran, dass der Manaslu immer häufiger das Ziel kommerzieller Expeditionen sei. So habe es allein im Herbst 2011 mehr als 100 Besteigungen gegeben. Verglichen mit 2008 hat sich die Zahl der Gipfelerfolge mehr als verdoppelt, auf rund 670.
Wie ein Schlachtfeld
Dass bei dem Unglück am Manaslu so viele Menschen ums Leben gekommen sind (die Zahlen schwanken immer noch zwischen acht und zwölf), ist auch darauf zurückzuführen, dass sich zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs viele Bergsteiger in den Hochlagern aufhielten. Elf Expeditionen hatten sich für die Nach-Monsun-Zeit am Manaslu angemeldet – viele davon, weil sie eine Alternative anbieten wollten, nachdem sie für die tibetischen Achttausender Cho Oyu und Shishapangma keine Genehmigung erhalten hatten. „In Lager drei (6800 Meter) standen 25 Zelte, alle wurden zerstört. Außerdem gingen zwölf Zelte in Lager zwei (6300 Meter) zu Bruch und wurden umhergewirbelt“, berichtet der US-Amerikaner Glen Plake, der die Lawine überlebte. „Es sah aus wie ein Schlachtfeld.“
Erste Hilfe
Das Zelt der beiden Deutschen Benedikt Böhm und Sebastian Haag lag außerhalb der Reichweite der Lawine. „Manche hat es aus den Zelten rausgespült“, sagt Böhm. „Die saßen da ohne Schuhe, teilweise nur mit einer langen Unterhose. Sie waren völlig verzweifelt und haben um Hilfe gerufen.“ Böhm und Haag beteiligten sich sofort an der Rettungsaktion. Seht euch die Schilderung der beiden an (Quelle: Dynafit-Gore-Tex-Team/Greg Hill)!