Schlechte Zeiten für Nordpol-Abenteurer
Der Südpol hat aus Abenteurer-Sicht einen bedeutenden Vorteil gegenüber seinem Bruder im Norden. Selbst wenn die Eiskappe der Antarktis eines Tages komplett abschmelzen sollte, könnte man 90 Grad Süd noch zu Fuß erreichen. Unter dem Nordpol-Eis verbirgt sich dagegen kein Land, sondern nur Wasser, vier Kilometer tief. Verschwindet die eisige Auflage, könnte der nördlichste Punkt der Erde nur noch per Boot oder Flugzeug erreicht werden. Noch ist es nicht so weit, doch der Trend geht eindeutig in diese Richtung. Seit drei Jahren gelangte niemand mehr von Land aus zum Nordpol. Immerhin gelang es im Juli 2012 dem Esten Timo Palo und dem Norweger Audun Tholfsen noch, in Gegenrichtung, also vom Pol aus, auf Skiern und mit Kajaks Spitzbergen zu erreichen. Für 2013 haben bereits einige Abenteurer ihre Expeditionen abgesagt – wegen der schlechten Eisverhältnisse in der Arktis.
In erbärmlichem Zustand
„Schweren Herzens verschieben wir unsere geplante Nordpol-Expedition 2013, weil das arktische Eis in einem erbärmlichen Zustand ist“, teilen die beiden Iren Clare O’Leary und Mike O’Shea mit. „Gründe sind erstens die größte Eisschmelze aller Zeiten und zweitens ein heftiger Sturm aus dem Baltikum, der das Eis in der ersten Phase des Zufrierens aufgebrochen hat.“ Auch der Brite Tim Williamson blies seine angekündigte Nordpol-Expedition ab, unter Verweis auf die schwierigen Eisbedingungen.
Jung und dünn
Im vergangenen September war die arktische Eisfläche nach Angaben von US-Forschern auf das Rekordtief von 3,61 Millionen Quadratkilometer abgeschmolzen. Damit war sie nur noch halb so groß wie 1979, als die regelmäßigen Messungen begannen. „Die Eisdecke des Arktischen Ozeans verändert sich seit einigen Jahren grundlegend. Dickes, mehrjähriges Eis sucht man mittlerweile fast vergebens“, sagt Marcel Nicolaus, Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. „Stattdessen besteht die Eisdecke heutzutage zu mehr als 50 Prozent aus dünnem einjährigen Eis, auf dem sich Schmelzwasser besonders großflächig ausbreitet.“ Und unter diesen Tümpeln schmilzt das Eis sogar noch schneller ab. Nordpol-Expeditionen auf Skiern sind wohl ein Auslaufmodell. Der Klimawandel lässt grüßen.