Dawa Steven Sherpa: Everest gehört uns allen
Mount Sherpa. Das wäre eigentlich der passendere Name für den höchsten Berg der Erde, der stattdessen nach Sir George Everest benannt wurde, einem britischen Chef der Landvermesser in Indien im 19. Jahrhundert. Die Geschichte des Mount Everest ist auch eine Geschichte der Sherpas. Schon bei den ersten britischen Expeditionen in den 1920er Jahren wurden die „Ost-Menschen“, die einst aus Tibet nach Nepal geflohen waren, als Hochträger eingesetzt. Einer der beiden Erstbesteiger 1953 war ein Sherpa: Tenzing Norgay. Spätestens seit das kommerzielle Bergsteigen am Mount Everest Einzug gehalten hat, sind die Sherpas dort schlicht unverzichtbar. Ohne ihre Unterstützung hätten die meisten zahlenden Kunden nicht den Hauch einer Chance, den Gipfel zu erreichen.
Diese Rolle hat den Sherpas nicht nur zu einem weltweit guten Ruf, sondern auch zu bescheidenem Wohlstand verholfen. Heute gibt es Sherpas, die erfolgreiche Geschäftsleute sind, Ärzte oder auch Piloten. Sie wissen, was sie dem Everest zu verdanken haben. „Als Nepalese steht der Mount Everest für meine Identität in der Welt. Als Sherpa ist der Mount Everest der Grund, warum wir Bildung, ein Gesundheitswesen und Wohlstand haben“, schreibt mir Dawa Steven Sherpa. „Als Bergsteiger ist der Mount Everest für mich die Spielwiese, auf der ich lernte, mich selbst zu entdecken, meine Grenzen und meine persönlichen Fähigkeiten.“
Zweimal auf dem Everest
Der 29-Jährige gehört zu der Sherpa-Generation, die schon von klein auf Nutznießer des wirtschaftlichen Aufschwungs durch das Everest-Bergsteigen war. Mit seinem Vater Ang Tshering Sherpa führt Dawa Steven „Asian Trekking“, eine der führenden Agenturen für Expeditionen und Trekkingreisen in Nepal. Seine Mutter ist Belgierin, er hat in Edinburgh in Schottland studiert. 2006 bestieg Dawa Steven den Achttausender Cho Oyu, 2007 erstmals den Mount Everest. Im Jahr darauf stand der junge Sherpa zunächst auf dem Lhotse, fünf Tage später erneut auf dem Everest. Seit fünf Jahren leitet er die so genannten „Öko-Everest-Expeditionen“, die Geschäft und Ökologie verbinden sollen: Zahlende Kunden werden auf den 8850 Meter hohen Gipfel geführt. Darüber hinaus sammeln die Teammitglieder aber auch Müll von den Hängen des Bergs und bringen ihn ins Tal.
Bäckerei im Basislager
Dawa Steven ist kreativ, wenn es darum geht, Geld für Umweltschutz aufzutreiben. So rief er 2007 im Basislager auf der nepalesischen Südseite des Mount Everest auf 5350 Metern die höchste Bäckerei der Welt ins Leben. Schokoladen- und Apfelkuchen, Doughnuts und Croissants fanden reißenden Absatz. Die Bergsteiger waren auch bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Schließlich ging es um einen guten Zweck. Das Geld floss in Projekte, mit denen Dörfer in Nepal auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet werden sollten. Um auf die Gefahren für die Bergwelt durch die Erderwärmung aufmerksam zu machen, wanderte Dawa Steven Anfang 2012– wie hier berichtet – mit dem Everest-Rekordbesteiger Apa Sherpa 1555 Kilometer weit über den „Great Himalaya Trail“ vom Osten in den Westen Nepals. Später erhielt er einen erstmals verliehenen Preis des World Wide Fund for Nature (WWF), mit dem junge Menschen unter 30 Jahren geehrt werden, die sich um den weltweiten Umweltschutz verdient gemacht haben.
Liebe zu den Bergen und Umweltschutz
Dem Mount Everest wünscht Dawa Steven Sherpa zum 60. Geburtstag der Erstbesteigung eine „nächste Generation von Abenteurern, die die Berge liebt und schützt“ (Seine Äußerungen solltet ihr unbedingt auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Blog-Seite nachlesen). Wenn es nach Dawa Steven geht, werden die Sherpas auch in Zukunft vom Everest profitieren. „Den Nepalesen wünsche ich, dass der Mount Everest weiterhin dafür sorgt, dass sie stolz sind, Nepalesen zu sein.“, schreibt der 29-Jährige. „Allen Menschen auf der Welt wünsche ich, dass der Everest sie daran erinnert, dass er der höchste Berg der Welt ist. Als Bürgern dieser Welt gehört deshalb der Mount Everest uns allen.“