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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Stitzinger nach Manaslu-Erfolg: „Es weht ein anderer Wind“

Luis Stitzinger (l.) und Alix von Melle (r.) am Gipfel des Manaslu

„Trotz Vorahnung waren wir bass erstaunt, was dort geboten wurde“, sagt mir Luis Stitzinger nach seiner Rückkehr vom Manaslu. „Das war eine wahre Zeltstadt im Basislager.“ Der 48-Jährige hatte – wie berichtet – am vergangenen Samstag ein achtköpfiges Team des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin auf den 8163 Meter Gipfel in Nepal geführt. Mit Luis erreichte auch seine zwei Jahre jüngere Ehefrau Alix von Melle den höchsten Punkt. Für beide war es der siebte Achttausender und der sechste, den sie gemeinsam bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff. Gleich zu Beginn der Expedition hatten sich elf der 14 Mitglieder des Amical-Teams bei erkälteten Trägern angesteckt. „Das war ein schlechter Start“, sagt Luis. „Einige mussten die ganze Sache sogar abbrechen. Das war schade, das hat uns ganz schön dezimiert.“ Ich erreiche Luis telefonisch in einem Hotel in Kathmandu:

Luis, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum siebten Achttausender. Wie ist es euch am Gipfeltag ergangen?

Der späte Aufstieg war durch die Krankheitswelle bedingt. Es war aber auch teilweise Kalkül. An den Spitzen-Gipfeltagen zwischen dem 26. und 28. September war ein solcher Almauftrieb, dass es uns sicher wenig Spaß gemacht hätte, da mitmischen zu müssen. Zum Glück blieb aber das Wetter sehr lange stabil. Man hat mir erzählt, dass es im letzten Jahr zwei mögliche Gipfeltage gab. Diesmal war es ein großes Schönwetterfenster von  zwei Wochen.

Schlange am Manaslu

Wir hatten uns relativ weit hinten positioniert, was im Endeffekt ein Glück war. Wir hatten freie Bahn, es waren kaum noch Leute unterwegs. Der vergangene Samstag, der 30. September, war ein guter Gipfeltag. Morgens war es noch etwas windig, deshalb sind wir erst gegen 4.30 Uhr aufgebrochen. Der Wind ließ aber schon am ersten Plateau nach, dort wehte es vielleicht noch mit 15, 20 Stundenkilometern.

Mit uns waren nur etwa ein halbes Dutzend Bergsteiger unterwegs, ein paar Spanier und Russen. Durch das große Aufkommen an Bergsteigern zuvor war die Spur sehr gut ausgeprägt. Zu Beginn der Saison waren die Schlüsselstellen der Route bis zum Gipfel von einem Team des Veranstalters Seven Summit Treks mit Fixseilen gesichert worden. Der Gipfelgang war daher für uns recht entspannt und aufgrund des Wetters sogar ein richtiger Genuss.

Blick vom Gipfel

Ihr seid allesamt ohne Flaschensauerstoff aufgestiegen. Das scheint mittlerweile am Manaslu die Ausnahme zu sein.

Wir waren ja 2012 schon einmal im Frühjahr am Manaslu. Da waren die meisten ohne Sauerstoff unterwegs. Das war jetzt im Herbst 2017 ganz anders. Drei Viertel der Bergsteiger, wenn nicht sogar mehr, gingen mit Sauerstoff. Es hat uns schon ein bisschen schockiert, wenn du Leute siehst, die schon ab Lager 1 (auf 5700 Metern) mit Atemmaske gehen. Ich habe sogar Leute gesehen, die von Lager 1 zum Basislager mit Sauerstoff abstiegen.

Da ist schon ein neuer Typ von Expeditionskunden unterwegs. Es waren sehr viele chinesische Bergsteiger dabei, die keine Kosten und Mühen gescheut haben, um auf den Gipfel zu kommen. Oder auch russische Anbieter, die mit allem geklotzt haben: teilweise zwei Climbing Sherpas pro Kunde, Sauerstoff von Lager 1 bis zum Gipfel, und zum Schlafen auch noch. Da weht mittlerweile ein anderer Wind.

Diese große Masse an Bergsteigern an einem Berg, wie am Everest, Cho Oyu oder jetzt am Manaslu, führt auch zu einer Anonymisierung des ganzen Betriebs. Uns ist zweimal aus Zelten Ausrüstung gestohlen worden. Wenn jemand aus dem Hochlager Steigeisen klaut, muss ihm klar sein, dass für den Bestohlenen der Aufstieg zumindest an diesem Tag zu Ende ist. Das finde ich ganz schön übel.  

Das klingt fast wie eine Beschreibung der Auswüchse am Everest.

Ich würde auch sagen, dass der Manaslu der neue Everest ist. Das ist nicht übertrieben. Es liegt natürlich auch daran, dass Tibet in diesem Jahr dicht war. Aber ich glaube, dass viele Veranstalter, die hier diese Luxusschiene fahren, den Manaslu für sich als vermeintlich leichten Achttausender entdeckt haben.

Im Aufstieg

Gab es denn Absprachen zwischen den einzelnen Veranstaltern, wer wann geht, damit es keine Staus auf der Route gibt?

Nein, davon habe ich jedenfalls nichts mitbekommen. Die haben sich einfach den besten Tag ausgesucht und sind losgezogen. Gerade an diesen Spitzentagen hat es große Staus gegeben, vor allem an den schwierigen Passagen zwischen Lager 1 und 2 sowie zwischen Lager 3 und 4. Das erinnerte fast an die Bilder vom Everest. Ich glaube, da gab es Probleme und Unmut bei denen, die wegen der langsamen Gruppen nicht vorwärts kamen.  

Da kann man ja nur froh sein, dass die Lawinengefahr in diesem Herbst am Manaslu offenkundig geringer war als sonst.

Lawinengefahr herrschte in dieser Saison so gut wie gar nicht. Es hat nur ein-, zweimal ein bisschen mehr geschneit, aber der Neuschnee hat sich sofort gesetzt.

Zuletzt gab es immer wieder Berichte von Bergsteigern, dass man die Auswirkungen des Klimawandels auch am Manaslu ganz deutlich sehe. Du warst 2012 schon mal dort. Hast du die Veränderungen auch registriert?

Damals waren wir im Frühjahr dort, als überall noch der Schnee des Winters lag, jetzt im Herbst, das kann mich nicht richtig vergleichen. Aber man sieht schon, dass der Gletscher markant zurückgeht. Am Manaslu North etwa schaut sehr viel Fels heraus, wo vor Jahren noch ununterbrochene Riffeleisflanken waren. Überall läuft das Wasser. Man kann die Folgen des Klimawandels am Manaslu deutlich sehen.

Datum

6. Oktober 2017 | 9:43

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