Everest-Song
Ich höre, was ich hören will. Zumindest, wenn ich englischsprachige Musik konsumiere. Leider zähle ich nicht zu den sprachbegnadeten Zeitgenossen, die englische Liedtexte auf Anhieb verstehen. In den Zeiten, in denen wir noch nicht verinternetzt waren, also vor ungefähr tausend Jahren, war das nicht weiter tragisch. Da konnte ich über Jahre glauben, dass Mrs. Robinson mich länger geliebt hatte, als ich dachte (Ich verstand: „She has loved you more than you will know…“), wo die Gute in Wahrheit doch von Jesus geliebt wurde (Simon and Garfunkel sangen nämlich: „Jesus loves you more than you will know…“). Heute ist es einfacher. Die Texte stehen schon im Netz, kaum dass ein Lied erstmals öffentlich geträllert worden ist. Als ich „On top of the world“ der US-Band Imagine Dragons im Radio höre und in der ersten Strophe auch „highest mountains“ vernehme, denke ich: Sieh an, ein Lied über den Everest! Das Internet belehrt mich eines Besseren: Die Berge müssen wieder einmal als Metapher für das Auf und Ab des Lebens und der Liebe herhalten.
Viel Everest, wenig Berg
Jetzt will ich es aber wissen: Gibt es einen Song, der sich wirklich ausschließlich damit befasst, was Bergsteiger am Mount Everest erleben oder empfinden? Schon möglich, aber zunächst finde ich ihn nicht. „Climbing up Mount Everest“ von Cliff Richard erzählt von einer enttäuschten Liebe. „Groovin‘ on Mount Everest“ von Matt Savage erzählt gar nichts, ist nämlich ein Jazzstück und nur instrumental. Warum tauft die schottische Gruppe „The Diggers“, die ein wenig wie Beatles für Arme klingt, ein ganzes Album „Mount Everest“, ohne einen entsprechenden Titelsong zu haben? Es erschließt sich mir auch nicht, als ich in jedes der zwölf Lieder hineinhöre.
Nicht schwer zu besteigen
Bizarr wird es, als ich durch den deutschsprachigen Musik-Dschungel surfe. Zunächst lande ich bei den Kastelruther Spatzen und ihrem „Noch größer als der Everest“ mit der bahnbrechenden Refrain-Passage: „Das Dach der Welt, das ist so schön, da kann man in den Himmel sehn, noch schöner als der Everest ist das Kastelruther Spatzenfest!“ Da lobe ich mir ja fast noch Ingrid Steeger, unsere Skandalnudel aus Klimbim-Zeiten, was gefühlt 2000 Jahre her ist. Der Background-Chor singt „Sie ist nicht, sie ist nicht der Mount Everest, der sich nur so schwer besteigen lässt“, woraufhin Ingrid dazwischenruft: „Ne ne, das bin ich wirklich nicht.“
Mir geht die Luft aus
Am Ende werde ich doch noch fündig, dank Mitch Lewis, einem Marathonläufer und Bergsteiger aus den USA, der 2011 den Mount Everest bestieg. Auf seiner Internetseite hat Mitch eine Liste von 81 Musiktiteln zusammengestellt, die nach seiner Ansicht als Bergsteiger-Songs taugen, darunter „Everest“ seines Landsmanns Andy Stochansky. Und dieses Lied dreht sich tatsächlich ums Bergsteigen am höchsten Berg der Erde: „My mind is made up/ I’ll climb Mount Everest/Just can’t come up/Don’t know the way. I’m losing air/Don’t know which way is up/I´m losing air/Please tell me which way is up.“ (Mein Entschluss ist gefasst, ich werde den Mount Everest besteigen, kann einfach nicht heraufkommen, kenne den Weg nicht. Mir geht die Luft aus, ich weiß nicht, welcher Weg nach oben führt, bitte sag‘ mir welcher Weg nach oben führt.) Im Radio habe ich Andy Stochanskys „Everest“ noch nie gehört. Schade eigentlich.