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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Makalu, die Zweite!

Alix von Melle und Luis Stiztinger

Alix von Melle und Luis Stitzinger

Manche Berg-Seilschaft endet als eine fürs Leben. Beispiele für Ehen zwischen einer Bergsteigerin und einem Bergsteiger gibt es viele: Gaby und Sigi HupfauerDaniela und Robert Jasper, Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits, um nur einige zu nennen. Auch Alix von Melle und Luis Stitzinger haben sich das Ja-Wort fürs Leben gegeben. 2011 war das, zehn Jahre nachdem es bei einer Expedition zum Aconcagua, dem mit 6962 Metern höchsten Berg Südamerikas, zwischen ihnen gefunkt hatte.

Inzwischen haben beide sechs Achttausender auf dem Bergkonto, fünf davon gemeinsam bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff. Die 42 Jahre alte Alix ist damit die erfolgreichste Achttausender-Bergsteigerin Deutschlands. Luis hat sich in der Szene mit spektakulären Skiabfahrten von den höchsten Bergen der Erde einen Namen gemacht. So fuhr der 45-Jährige 2009 als Erster die zentrale Diamirflanke des Nanga Parbat mit Skiern hinunter. In diesem Frühjahr will sich das Bergsteiger-Ehepaar erneut am 8485 Meter hohen Makalu in Nepal versuchen. 2010 hatten die beiden am fünfthöchsten aller Berge in 8000 Meter Höhe umkehren müssen. Anfang der Woche habe ich Alix und Luis auf der ISPO in München getroffen.

Ihr seid als Ehepaar am Berg in extremer Mission unterwegs. Ist es für euch ein Wohlfühl-Faktor, zu zweit aufzubrechen?

Alix: Unbedingt. Ich habe das eigentlich schätzen gelernt, als ich einmal ohne Luis unterwegs war, am Cho Oyu. Das war auch eine ganz tolle Expedition. Wir haben uns in der Gruppe gut verstanden. Aber man merkt doch, wie eingespielt man als Paar ist. Es braucht einfach keine großen Worte, die Plattform zu machen, das Zelt aufzubauen. Einer schmeißt den Kocher an, der andere bläst schon mal die Matten auf, packt die Schlafsäcke aus. Wir sind ein eingespieltes Team, ohne viele Worte. Das mag ich sehr, sehr gerne, wenn wir unterwegs sind.

Alix von Melle: Eingespieltes Team

Alix und Luis 2011 auf dem Gipfel des Broad Peak

Alix und Luis 2011 auf dem Gipfel des Broad Peak

Luis, wie ist das bei dir? Du hast es anfangs ja auch anders erlebt.

Luis: Ich war damals sehr viel als Expeditionsleiter unterwegs, mit Gruppen. Das ist natürlich etwas anderes. Da trägt man viel mehr Verantwortung, ist bis spät in die Nacht hinein non-stop im Dienst und muss sich um alle Belange kümmern. Das ist belastender. Man kann sich eigentlich nie mit jemand austauschen, wenn es schlecht läuft. Und man kann sich auch nicht so schön wie mit seinem Partner freuen, wenn es gut gelaufen ist.

Aber Achttausender-Bergsteigen ist nicht wie Softeis-Essen. Das Risiko ist ein ständiger Begleiter. Wie geht ihr mit der Angst um den Partner um?

Alix: Das ist ganz komisch. Man hat immer mehr Angst um den Partner, egal ob an einem Achttausender oder auf einer Skitour im Winter in den Alpen. Man meint immer, man selber hat alles im Griff, einem passiert nichts, man stürzt nicht ab. Die Angst hat man eigentlich immer um den Partner. Aber wahrscheinlich ist das in jeder Beziehung so.

Seid ihr dann füreinander auch ein bisschen Korrektiv? Sagt der eine dem anderen auch einmal: „Jetzt übertreibe es mal nicht!“?

Luis: Definitiv! Wir achten sehr stark aufeinander und sagen es offen und ehrlich, wenn wir sehen, dass der andere erschöpft oder mal an einem Tag nicht gut drauf ist. Das ist auch ein Korrektiv, das einen vor Fehlern bewahrt. Das ist sehr wichtig.

Macht euch das vielleicht auch eine Spur vorsichtiger?

Alix: Das glaube ich schon. Wir kennen uns sehr genau und spüren sofort, wenn es dem Partner vielleicht nicht mehr so gut geht. Man wird natürlich auch vorsichtiger, wenn man einen Blick aufeinander wirft.

Luis 2012 am Makalu

Luis 2012 am Makalu

Achttausender-Bergsteigen funktioniert nicht, wenn man nicht den Ehrgeiz hat, wirklich oben anzukommen. Helft ihr euch auch gegenseitig, den letzten Anschub noch zu kriegen, den inneren Schweinehund zu überwinden?

Luis: Alle Extreme sind schlecht. Wenn man zu engagiert und ambitioniert ist, kann das einem den Kragen kosten. Andererseits, wenn man zu wenig ehrgeizig ist, kommt man einfach nicht hinauf. Das ist oftmals ein Problem bei Gruppen, die ohne Führer unterwegs sind. Denen fehlt der letzte, ich sage mal, Tritt in den Arsch. (lacht) Den muss man sich oftmals auch selbst geben. Wenn man ein bisschen Erfahrung hat, funktioniert das auch. Wir ergänzen uns in dieser Hinsicht gut. Wir können uns gegenseitig gut anspornen und auch diesen Tritt versetzen. Das ist sehr wichtig, denn die Gipfeletappe kostet immer Kraft und geht immer an die Grenze des persönlichen Leistungsvermögens.

Luis Stitzinger: Tritt in den Allerwertesten

Ihr seid im Jahr etwa sechs bis sieben Wochen an den ganz hohen Bergen unterwegs und teilt extreme Erlebnisse. Fällt es euch in der restlichen Zeit schwer, ein ganz normales Paar in der Ebene zu sein?

Alix: Eigentlich gar nicht. Die Umstellung von diesem abgeschiedenen Leben ohne Trubel, Emails, Anrufbeantworter oder Steuererklärung hinein in diese ganze Reizüberflutung fällt mir schon schwer. Aber ich muss für mich sagen: Ich fahre gerne weg, komme aber genauso gerne wieder. Ich liebe einfach die Alpen. Wenn ich jetzt im Winter auf Skitour bin, mag ich manchmal gar nicht auf Expedition fahren. Und wenn ich dann anschließend wiederkomme, freue ich mich wahnsinnig, im T-Shirt auf dem Mountainbike zu sitzen, hinterher in einen See zu springen oder klettern zu gehen. Ich könnte nicht das ganze Jahr über auf Expedition sein. Aber es ist eben genauso schön, aufbrechen zu dürfen.

Sucht ihr euch die neuen Ziele gemeinsam? Gibt es dann Abende, an denen Karten gewälzt werden?

Luis: Nein, im Laufe der Jahre kristallisiert sich schon eine nähere Auswahl von Zielen heraus, die man angehen möchte. Wenn es dann langsam so weit ist – man muss schon ein gutes Jahr vorher daran denken – reden wir immer wieder darüber und schauen, womit wir uns am besten fühlen. Es wird dann schon so besprochen, dass es jedem von uns gefällt und für keinen eine Notlösung ist.

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Ihr fahrt jetzt wieder zum Makalu. Dort wart ihr 2010 schon einmal, seid bis auf 8000 Meter gekommen, dann war Schluss. Sagt ihr: „Mensch, das müssen wir jetzt noch abhaken!“?

Alix: Das hat eine Weile gebraucht. Ich hätte definitiv nicht gleich im Jahr nach diesem Versuch wieder zum Makalu fahren wollen. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, alles zu verarbeiten. Außerdem reizen mich neue Aufgaben sehr. Es gibt ja genügend Achttausender, an denen wir noch nicht unterwegs waren. Trotzdem ist der Makalu ein toller Berg. Nach dieser Zeit, in der sich das Ganze gesetzt hat und die Erlebnisse verarbeitet sind, habe ich auch wieder Lust, eigentlich zum ersten Mal einen Berg noch einmal zu probieren, an dem wir schon unterwegs, aber eben nicht am Gipfel waren. Das wird sicherlich eine neue Erfahrung sein.  

Alix von Melle: Neue Erfahrung

2013 haben nur sieben Bergsteiger den Gipfel des Makalu erreicht. Wie groß seht ihr eure Chancen?

Luis: Der Makalu ist sicher eine harte Nuss, auch über seine leichteste Route. Ich würde sagen, unsere Chance ist fifty-fifty. Wir hatten auch 2010 ein sehr gutes Gefühl und sehr gute Verhältnisse. Aber der Jetstream hat uns wertvolle Zeit gekostet und letztendlich zu einem Gipfelversuch gedrängt, bei dem es sehr kalt war. Gegen solche Einflüsse kann man nichts ausrichten. Das liegt nicht in der eigenen Gewalt. Deswegen ist bei Achttausender-Besteigungen immer auch sehr viel Glück im Spiel.

Luis Stitzinger: Fifty-fifty

Datum

2. Februar 2014 | 17:24

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