Gesehen: „Streif – One Hell of a Ride“
Ich bin ein bekennendes „Streifhörnchen“ – will sagen, ich liebe seit Kindestagen das Skiabfahrtsrennen auf der berühmt-berüchtigten „Streif“ in Kitzbühel. Ich gehöre ja noch zur Generation der medialen Dinosaurier, die analog aufgewachsen sind, in einer Zeit, in der nicht einmal jede Familie einen Fernseher besaß, geschweige denn einen Videorekorder. Wenn du damals eine Live-Übertragung verpasst hast, war es meist endgültig. Das Hahnenkamm-Rennen versäumte ich so gut wie nie. Schließlich hatte ich in den Kitzbüheler Bergen das Skifahren gelernt und als Knirps auf der „Streif“ meinem Ski-Idol Franz Klammer nachgeeifert. Auf der Familienabfahrt und nicht mal halb so schnell, versteht sich. Auch klar, dass ich mir jetzt den Kinofilm „Streif – One Hell of a Ride“ angesehen habe. Ich empfehle ihn euch wärmstens, selbst wenn ihr keine Streifhörnchen seid.
Helden, Sturzopfer und ein Exot
Gerald Salmina und Tom Dauer erzählen die Geschichte des Hahnenkammrennens 2014 und es gelingt ihnen vorzüglich, die unglaubliche Faszination des wichtigsten aller Skirennen einzufangen: die brutale Strecke mit „Mausefalle“, „Steilhang“, „Hausbergkante“ und „Zielschuss“; den Respekt der Fahrer, der nicht selten in Angst umschlägt, wenn sie im Starthäuschen stehen; die schlimmen Stürze; die Gänsehaut-Atmosphäre im Zielraum, wie bei einem Fußballderby. Zu Wort und ins Bild kommen nicht nur Helden der „Streif“ wie Rekordsieger Aksel Lund Svindal aus Norwegen oder Daron Rahlves, der erste Gewinner aus den USA, sondern auch ein Exot wie Yuri Danilochkin. Der Weißrusse wird von seiner Mutter trainiert, schläft im Auto, weil er zu wenig Geld fürs Hotel hat, hat null Siegchance, und doch wagt er den Höllenritt. Andere wie der Schweizer Daniel Albrecht oder der Österreicher Hans Grugger haben schwere Stürze auf der „Streif“ mit Ach und Krach überlebt und neben den vielen körperlichen, auch tiefe seelische Narben davongetragen. „Trotz allem was passiert ist, ist es total schön, weil ich einfach dankbar bin, dass mich die Streif am Leben gelassen hat“, sagt Grugger nachdenklich. „Dass ich eben die Möglichkeit habe, überhaupt noch herunterfahren zu können. Zwar nicht mehr im Renntempo, aber trotzdem auf Skiern.“
Großes Kino
Filmmomente wie dieser – und davon gibt es einige – gehen unter die Haut. Der Spannungsbogen reißt während der 110 Minuten nicht ab. Mancher Hollywood-Krimi ist dagegen Kindergarten. Meinen persönlichen Oscar erhält derjenige, der die Idee hatte, im Finale des Films die spektakulären Rennbilder mit der nicht weniger atemberaubenden Sanddorn-Balancier-Nummer des Artisten Mehmet Bilgin zu kombinieren. Großes Kino! Und eine wunderbare Einstimmung auf das nächste Hahnenkamm-Rennen, das am nächsten Samstag um 11.45 Uhr gestartet wird. Nicht verpassen!, sagt das Streifhörnchen. Weder das Rennen, noch den Kinofilm.