Stille, wo früher Trubel war
Ralf Dujmovits ist erschüttert. „Ich habe selten so etwas Deprimierendes und Trauriges gesehen“, sagt Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger, als er mich aus Kathmandu anruft. Gerade ist er von einer ganztägigen Fahrt in die Region Sindhupalchowk, rund 80 Kilometer nordöstlich der Haupstadt, zurückgekehrt. In keinem Bezirk Nepals starben bei dem verheerenden Beben heute vor zwei Wochen mehr Menschen als in Sindhupalchowk. Mehr als 3000 Tote hat die Regierung dort bisher gezählt, über 7900 sind es in ganz Nepal.
Fast wieder normales Leben in Kathmandu
Ursprünglich hatte Ralf mit der Kanadierin Nancy Hansen in diesem Frühjahr den Mount Everest von der Nordseite aus ohne Flaschensauerstoff besteigen wollen, musste dann aber wie alle Everest-Anwärter in Tibet die Zelte abbrechen. Der 53-Jährige und seine Teampartnerin flogen nach Kathmandu, um sich ein Bild von den Schäden des Erdbebens zu machen. In der Hauptstadt laufe das Leben schon fast wieder normal, berichtet Ralf, „außer dass die Touristen fast gänzlich fehlen“. Stark beschädigt seien viele Tempelanlagen in der Innenstadt. „Eine traurige Stille liegt über dem Durbar Square, Staub hängt in der Luft, überall türmt sich der Schutt.“ Dennoch sei er überzeugt, dass „Kathmandu bald aus den Schlagzeilen heraus sein wird. Aber auf dem Land ist es ganz anders.“
Es riecht nach Verwesung
Ralf und Nancy hatten sich einem Team von Ärzten und Krankenschwestern des Siddhi Memorial Hospital in Bakhtapur sowie Mitarbeitern der deutschen Hilfsorganisation „Nepalhilfe Beilngries“ Helfern angeschlossen. Das Krankenhaus schickt alle zwei Tage solche Teams aufs Land, um dort Verletzte zu versorgen und Hilfsgüter zu verteilen. „Es war wirklich schockierend. Du fährst von einem zum nächsten Dorf, und alle sind zerstört. Ich schätze, 85 bis 95 Prozent der Häuser sind dem Erdboden gleich“, erzählt Ralf, der hörbar um Fassung ringt. „Es sieht verheerend aus. Wir haben einfach nur sprachlos dagestanden. Traurig, traurig.“
An diesem Tag leitete Sabina Parajuli das Team. Die junge Ärztin ging als Kind in Sangachok auf eine Schule, die von der „Nepalhilfe Beilngries“ finanziert wurde. „Sabina und die anderen Ärzte haben heute in Sangachok 300 Menschen medizinisch versorgt. Allein in Sabinas Heimatdorf sind 200 Menschen ums Leben gekommen. Das ist unvorstellbar hart“, sagt Ralf. „Es riecht teilweise sehr streng, weil viele tote Menschen und Tiere noch nicht aus den Trümmern geborgen werden konnten.“
Nur noch ein Schrotthaufen
Die Menschen in den zerstörten Dörfern seien traumatisiert: „Wo früher Trubel herrschte, ist es jetzt gespenstisch still. Die Menschen stehen einfach nur still dort und starren auf die Ruinen. Sie wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen aufzuräumen“, berichtet Ralf. Von den Schulen der „Nepalhilfe Beilngries“, die er mit finanziert habe, sei nur jene im Dorf Irkhu „wie durch ein Wunder“ stehen geblieben. Dort habe jetzt die örtliche Polizei Quartier bezogen. „Alle anderen Schulen sind zusammengebrochen. An der großen Schule in Thulosirubari, die ich 2009 mit Gerlinde (Kaltenbrunner) eröffnen durfte, ist das untere Geschoss zusammengebrochen. Die oberen Stockwerke sind nach unten gesackt. Das, was mal eine Schule für 700 Kinder war, ist jetzt nur noch ein Schrotthaufen.“ Die Schule müsse wohl komplett abgerissen werden. Eigentlich hätten Nancy und er gedacht, sie könnten helfen, sagt Ralf. „Aber dafür reicht keine Schaufel, dort ist schweres Gerät nötig. Nepal wird auf Jahre hin auf Hilfe von außen angewiesen sein.“
P.S. Ralf Dujmovits bittet um Spenden für die Erdbebenopfer in Nepal: Nepalhilfe Beilngries, Volksbank Bayern Mitte eG, IBAN: DE05 7216 0818 0004 6227 07, SWIFT-BIC: GENODEF1INP, Kennwort: „Erdbeben“.