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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Kuriki dreht am Everest um

Nobukazu Kuriki

Nobukazu Kuriki

Es wäre ein echter Paukenschlag gewesen. Und die Schlagzeile war sicher schon vorbereitet: „Historischer Everest-Aufstieg mit nur einem kompletten Finger“. Doch diese Schlagzeile verschwindet zunächst einmal wieder in der Schublade. Nobukazu Kuriki hat seinen ersten Gipfelversuch am Mount Everest abgebrochen. „Ich habe alle meine Kraft zusammengenommen, aber es dauerte einfach zu lange, mich durch den tiefen Schnee hindurch zu wühlen“, twitterte der 33-Jährige. „Mir wurde klar, dass ich nicht lebend zurückkehren würde, wenn ich weitermachte. Deshalb beschloss ich abzusteigen.“ Welche Höhe er genau erreichte, ist noch unklar. Nach Angaben seines GPS-Signalgebers stieg er nicht bis zum Südsattel auf. Sein, wie er schrieb, „letztes Lager“ hatte Kuriki auf 7700 Metern aufgeschlagen, also etwa auf Höhe des Genfer Sporns aufgeschlagen, 200 Meter unterhalb des Südsattels. Von dort wäre es noch eine echte Marathonetappe bis auf den 8850 Meter hohen Gipfel gewesen – zumal der Japaner oberhalb von Lager 2 allein aufstieg, auf Flaschensauerstoff verzichtete und die Route weder gespurt noch gesichert war.

Solo ab 6400 Metern

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Streng genommen wäre es dennoch kein Everest-Alleingang gewesen, da Kuriki auf einer von den „Icefall Doctors“ präparierten Route durch den Khumbu-Eisbruch stieg und erst ab einer Höhe von etwa 6400 Metern seine Begleiter zurückließ. Doch wann überhaupt ist schon einmal ein Kletterer wirklich allein am Everest unterwegs, und dann auch noch auf der Normalroute? Insofern kam Kurikis Versuch einem Solo schon recht nahe. Den bisher einzigen reinen Alleingang am Everest ohne Flaschensauerstoff darf nach wie vor Reinhold Messner für sich beanspruchen. Der Südtiroler bestieg im August 1980 mitten im Monsun, also außerhalb der Klettersaison, solo und auf einer neuen Route über die Nordseite den höchsten Berg der Erde.

Nur noch ein kompletter Finger

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Es war bereits Kurikis fünfter Versuch, den Mount Everest im Herbst zu besteigen. Im Oktober 2012 hatte der Japaner weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als er über den selten begangenen Westgrat aufgestiegen war. Der damals 30-Jährige musste wegen Sturms nach eigenen Angaben auf etwa 8000 Meter Höhe umkehren. Beim Abstieg sandte Kuriki einen Notruf. Sherpas stiegen ihm entgegen, der Japaner wurde von Lager 2 auf 6400 Metern mit einem Rettungshubschrauber ausgeflogen. Kuriki bezahlte sein Abenteuer mit schweren Erfrierungen. Neun Finger mussten fast auf ganzer Länge amputiert werden, ihm blieben nur Stummel – und lediglich ein kompletter Finger.

Noch ein Versuch?

Wagt Kuriki jetzt noch einen weiteren Versuch? Zeit hätte er noch. Doch es stellt sich die Frage, ob er sich für einen zweiten Anlauf ausreichend erholen und noch einmal die nötige Spannung und Konzentration aufbauen kann. Die letzte Besteigung im Herbst ohne Flaschensauerstoff liegt schon 22 Jahre zurück.  Sie gelang am 9. Oktober 1993 dem Franzosen Hubert Giot. Der erste, der im Nach-Monsun ohne Atemmaske den Gipfel des Everest erreichte, war übrigens ein Deutscher: Hans Engl, am 14. Oktober 1978.

Update 28. September: Kuriki will es angeblich erneut versuchen. „Er wird ein paar Tage im Basislager bleiben und am 1. Oktober wieder Richtung Gipfel aufbrechen“, sagte Tikaram Gurung, Geschäftsführer des nepalesischen Expeditionsveranstalters Bochi-Bochi Trek, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Er ist in guter körperlicher Verfassung und sehr erfahren. Er hatte während des Aufstiegs keine nennenswerten Probleme.“ Bochi-Bochi Trek organisiert die Expedition Kurikis.

Datum

27. September 2015 | 14:44

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