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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Wenn am falschen Ende gespart wird

Piloten im Dauereinsatz

Teure Rettungseinsätze

„Ich bin nicht in der Regierung um abzuwarten“, sagte Ananda Prasad Pokharel Anfang November nach seiner Ernennung zum neuen Tourismusminister Nepals. „Ich bin hier, um Dinge zu verändern.“ Einer seiner ersten Vorstöße zum Bergtourismus zeugt jedoch nicht gerade von Weitblick, sondern wirkt eher wie eine Schnapsidee. Pokharels Ministerium plant, die Versicherungssummen für die nepalesischen Beschäftigten bei Expeditionen zu senken – um bis zu 60 Prozent an Bergen, die niedriger als 6500 Meter sind. Damit solle der Bergtourismus wieder angekurbelt werden, hieß es. Die Besucherzahlen waren nach dem verheerenden Erdbeben im April und zusätzlich wegen der immer noch bestehenden Blockade an der Grenze zu Indien drastisch eingebrochen.
Auch bei vielen Nepalesen löst der Plan der Regierung jedoch eher Kopfschütteln aus. „Als Inhaber des Expeditionsanbieters Dreamers Destination Trek würde ich natürlich jede Kostenreduzierung für Versicherungen begrüßen. Sie wären gut für mein Unternehmen und meine Kunden“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa. „Aber als Bergsteiger und auch als jemand, der aus einer Bergsteiger-Familie stammt, wünsche ich mir, dass die Versicherungssummen nicht gesenkt, sondern sogar erhöht werden.“

Kaum über die Runden gekommen

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa

Der 29-Jährige, der bereits sieben Achttausender bestiegen hat und zuletzt mit einer schwierigen Erstbegehung am 6685 Meter hohen Chobutse für Furore gesorgt hatte, beschreibt das Schicksal seines Vaters: Der sei als junger Mann auch ein Spitzenbergsteiger gewesen, ehe er 1983 am Mount Everest acht Finger wegen Erfrierung verloren habe. Danach habe sein Vater nie mehr die Chance erhalten, an großen Expeditionen teilzunehmen und gutes Geld zu verdienen. Er sei kaum noch über die Runden gekommen. „Solche Umstände sollten jene Leute berücksichtigen, die Vorschriften erlassen.“

„Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“

Mingma am Chobutse

Mingma am Chobutse

Für viel zu niedrig hält Mingma die Versicherungsummen, die im Todesfall an die Familien der Verunglückten gezahlt werden: bei Expeditionen an Bergen, die höher als 6500 Meter sind, 15.000 US-Dollar für Hochträger und Bergführer sowie 8.000 Dollar für Basislager-Personal. „Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“, sagt Mingma. Er plädiert dafür, nicht nur diese Versicherungssummen, sondern auch jene für Hubschrauber-Rettungsaktionen anzuheben, statt sie zu senken. 10.000 Dollar an hohen Bergen reichten bei weitem nicht aus, um im Falle eines Unglücks die Kosten zu decken. So würden bei einem Rettungsflug über 7000 Metern deutlich mehr als 15.000 Dollar fällig. Am Chobutse war Mingma beim Abstieg im schlechten Wetter in Not geraten und hatte sich per Hubschrauber in Sicherheit bringen lassen. „Die Rechnung belief sich auf 15.400 Dollar. Ich werde wohl kaum 10.000 Dollar von der Versicherung kriegen. Und den Rest darf ich dann aus der eigenen Tasche bezahlen.“

2016 entscheidet über die Zukunft

Es gebe deutlich wirksamere Mittel, um den Tourismus in Nepal wieder anzukurbeln, als die Versicherungssummen zu beschneiden, findet der Sherpa. So sollte sich die Regierung lieber darum kümmern, „für eine stabile politische Lage“ zu sorgen, sagt Mingma. Außerdem sei es sinnvoll, die Gültigkeit der Permits (Besteigungsgenehmigungen) von 2015 um zwei bis drei Jahre zu verlängern. „Es gibt Bergsteiger, die 2014 und 2015 nach Nepal gekommen sind, um Everest oder Lhotse zu besteigen. Sie habe in diesen beiden Jahren viel Geld ausgegeben und sind sicher sehr frustriert.“
Das Tourismusministerium solle sich darauf konzentrieren, zu vermitteln, dass Nepal ein in jeder Hinsicht sicheres Reiseland sei, meint Mingma. „Nur wenn es 2016 gut läuft, wird es auch in den folgenden Jahren so sein.“

Datum

19. Dezember 2015 | 23:04

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