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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Schockfrosten am Nanga Parbat

Jacek Czech auf eisigem Untergrund

Jacek Czech auf eisigem Untergrund

Rekordtemperaturen wird es in diesem Winter am Nanga Parbat wohl kaum geben, jedenfalls nicht nach oben. „Leider ist das Januar-Wetter am Nanga extrem schlecht verglichen mit den vergangenen beiden Jahren”, schreibt der Pole Adam Bielecki, der mit seinem Landsmann Jacek Czech im Alpinstil – also ohne Flaschensauerstoff und feste Hochlager – auf der Diamir-Seite des Bergs über die Kinshofer-Route auf den 8125 Meter hohen Gipfel steigen will. „Bisher gab es noch keinen einzigen Tag, an dem das Wetter gut genug für einen Gipfelversuch gewesen wäre.“ Die Quecksilbersäule sank in den vergangenen Tagen auf minus vierzig Grad Celsius, manchmal sogar darunter. Dazu wehte ein kräftiger Wind und es schneite. Bielecki und Czech wollen nach eigenen Angaben in diesen Tagen auf eine Höhe von mindestens 7000 Metern aufsteigen, „um die Akklimatisierung wiederzuerlangen, die es uns erlaubt, auf besseres Wetter zu waren“. Das klingt, als könnten sich die beiden Polen auch vorstellen, vor ihrem ersten Gipfelversuch nicht mehr ins Basislager abzusteigen. Adam und Jacek hatten sich vor ihrer Reise nach Pakistan schon am 6893 Meter hohen Vulkan Ojos del Salado in Chile vorakklimatisiert.

Noch mal erholen

Nanga Parbat

Nanga Parbat

Eine weitere Erholungsphase im Basislager haben sich dagegen der Pole Tomek Mackiewicz und die Französin Elisabeth Revol fest vorgenommen, die derzeit in ihrem Lager auf 6000 Metern bei eisiger Kälte vor sich hin bibbern. Wenn die Zustände es zulassen, wollen sie am Freitag auf der Messner-Route bis auf eine Höhe von 7000 Metern vordringen und dann wieder absteigen. Der Pakistani Arslan Ahmed, der Dritte im Bunde des „Rubber Duck“ (Badeenten)-Teams, hat sich wegen gesundheitlicher Probleme bisher noch etwas zurückgehalten. Das Trio will, ebenfalls im Alpinstil, die Messner-Route vollenden, auf der im Jahr 2000 die Südtiroler Reinhold und Hubert Messner, Hanspeter Eisende und Wolfgang Tomaseth eine Höhe von 7500 Metern erreicht hatten.

Vereist

Simone Moro auf dem Ganalo

Simone Moro auf dem Ganalo-Grat

Auch das italienische Duo Tamara Lunger und Simone Moro plant, über diese Flanke auf den Gipfel des bisher noch nie im Winter bestiegenen Achttausenders zu gelangen. Die beiden haben inzwischen ihre Akklimatisierung am 6608 Meter Ganalo im Nanga-Parbat-Massiv abgeschlossen. Das vierte Team auf der Diamirseite des Bergs – der Spanier Alex Txikon, der Italiener Daniele Nardi und der Pakistani Ali Sadpara – hat auf der Kinshofer-Route sein Lager eins auf 4850 Metern aufgeschlagen. „Die höchsten und steilsten Hänge sehen deutlich eisiger aus als im letzten Jahr“, schreibt Alex. Auf der Rupalseite des Nanga Parbat ist das polnische „Nanga Dream“-Team unter der Leitung von Marek Klonowski auf der so genannten „Schell-Route“ bis auf knapp 6000 Meter aufgestiegen.

Kein Wettlauf?

Für das kommende Wochenende wird am neunthöchsten Berg der Erde ruhiges Winterwetter erwartet: kein Schneefall mehr, deutlich weniger Wind, Temperaturen um minus 30 Grad – eine gute Chance, sich weiter Richtung Gipfel vorzuarbeiten. Von einem Wettlauf der Teams um die erste Winterbesteigung des Nanga Parbat will Simone Moro nicht sprechen: “Jeder von uns hat dasselbe Ziel und es ist nicht, der erste auf dem Gipfel zu sein, sondern schlicht zu versuchen, es bis zum höchsten Punkt zu schaffen. Wer immer es schafft – ob als Erster, Zweiter oder Zehnter – würde einen Traum erfüllen, den die besten Höhenbergsteiger der letzten 30 Jahre geträumt haben.“ Das würden wahrscheinlich alle Bergsteiger am Nanga Parbat unterschreiben, aber ob sie auch wirklich so denken? Kaum einer wird bestreiten, dass mit jeder gescheiterten Winterexpedition – und es waren schon mehr als zwei Dutzend – der Prestigewert des Projekts gestiegen ist. Und damit auch sein Marktwert.

Datum

7. Januar 2016 | 17:39

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