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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

In vier Wochen auf den Everest?

Nordseite des Mount Everest

Rapide reicht nicht, blitzschnell soll es sein. So könnte man das Konzept des österreichischen Expeditionsveranstalters Lukas Furtenbach beschreiben: für Achttausender-Aspiranten mit gut gefülltem Portemonnaie, aber wenig Zeitbudget. Nachdem der US-Veranstalter Alpenglow mit seinen „Rapid Ascent Expeditions“ die Dauer etwa einer Everest-Expedition von bisher rund 70 Tagen auf 34 Tage halbiert hat, will der 39 Jahre alte Tiroler im nächsten Jahr noch einen Schritt weiter gehen. Die „Everest Flash Expedition“ von „Furtenbach Adventures“ 2018 auf der tibetischen Nordseite des Bergs soll maximal vier Wochen dauern.

Bis zu 16 Flaschen pro Person

Lukas Furtenbach

Und so sieht Furtenbachs Plan aus: Die Vorakklimatisation der Teilnehmer erfolgt daheim – über sechs bis acht Wochen mit Trainingsplan und einem neu entwickelten Hypoxiezelt-System, das in der Lage ist, Hochlagernächte bis zu einer Höhe von 7300 Metern zu simulieren. Vor Ort wird es keine weiteren Akklimatisationsaufstiege geben, sondern – natürlich abhängig vom Wetter – direkt einen Gipfelversuch. An Flaschensauerstoff will Furtenbach nicht sparen. Geplant seien der Einsatz eines „eigens für uns entwickelten Reglers von Summit Oxygen, der bis zu acht Liter pro Minute liefern kann“ (üblich ist am Everest eine Durchflussrate von vier Litern pro Minute) und eine Gesamtmenge von bis zu 16 (!) Flaschen pro Person am Berg.

Materialschlacht

„Alpinmoralisch – sofern man diesen furchtbaren Begriff verwenden möchte – macht es keinen Unterschied, ob man eine halbe oder 16 Flaschen verwendet hat“, schreibt mir Lukas aus Kathmandu. „Es bleibt eine Besteigung mit zusätzlichem O2. Aber mehr Sauerstoff macht die Besteigung definitiv sicherer. Das ist eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache.“ Material und Personal sollen „zu 100 Prozent redundant“ sein, sprich doppelt vorhanden, sagt Furtenbach: „Flaschen, Masken, Regler und sogar Sherpas auf der Reservebank.“ Das Ganze hat seinen Preis, der mit 95.000 US-Dollar am oberen Ende der Fahnenstange liegen wird. Dennoch ist der Expeditionsveranstalter aus Österreich davon überzeugt, dass sich seine Taktik „in nur wenigen Jahren zum neuen Industriestandard entwickeln wird“. Seiner Meinungn nach ist das kommerzielle Achttausender-Bergsteigen auf „einem Entwicklungsstand der frühen Neunzigerjahre stehengeblieben“.

„Viel Raum für Erlebnis“

Lager 1 am Nordsattel

In diesem Frühjahr ist Furtenbach mit einem Team auf der Everest-Nordseite unterwegs. Dabei will er die neu entwickelten Regler noch einmal testen. Lukas ist klar, dass er mit seinem radikalen Konzept eine Diskussion auslösen wird. Hier seine Antworten auf drei weitere Fragen, die ich ihm gestellt habe:

Kürzere Expeditionszeit bedeutet auch weniger Einsatzzeit für das nepalesische oder tibetische Personal. Bleibt trotz des hohen Preises am Ende weniger Geld in den jeweiligen Ländern?

Wir brauchen für die „Flash Expedition“ mehr Sherpas, und sie werden mindestens gleich lange eingesetzt wie bei herkömmlichen Expeditionen, weil sie ja die Route vorbereiten. Es bleibt definitiv deutlich mehr Geld in den jeweiligen Ländern. Wir zahlen unsere Sherpas zudem deutlich über dem unter westlichen Veranstaltern üblichen Schnitt.   

Wird das neue Konzept nicht dazu führen, dass noch mehr Gipfelaspiranten an den Achttausendern aufschlagen, die eigentlich nicht die nötigen Fertigkeiten dafür haben – weil sie sich sagen: Cool, das passt, so schaffe auch ich das?

Furtenbach auf dem Gipfel des Everest (2016)

Wir sehen uns jeden Aspiranten genau an. Egal, ob bei Flash oder normaler Expedition. Wenn uns jemand zu unerfahren oder ungeeignet scheint, bieten wir ihm ein spezielles Aufbauprogramm an, das sich auch über einen längeren Zeitraum ziehen kann, oder wir lehnen ihn grundsätzlich ab. Das eigentliche Problem am Everest sind derzeit die unkontrollierten Horden an großteils vollkommen berg-unerfahrenen Chinesen und Indern in den Händen von im Wesentlichen zwei nepalesischen Billiganbietern, die das Gros der Todesfälle (Kunden und Sherpas) der letzten Jahre an den Achttausendern zu verantworten haben.  

Für die Kunden sind Flash-Expeditionen sicher attraktiver, weil sie weniger lange am Arbeitsplatz fehlen. Aber bleibt durch die kurze Dauer für die Teilnehmer nicht auch ein Stück Expeditionserlebnis auf der Strecke?

Vier Wochen sind immer noch eine lange Zeit mit viel Raum für Erlebnis. Für die meisten Menschen ist selbst ein vierwöchiger Urlaub ein weit entfernter Traum. Dennoch bieten wir weiterhin parallel auch eine klassische Expedition am Everest an, bei der die Teilnehmer sich so dem Berg nähern können, wie man es seit bald 50 Jahren macht.

Datum

11. April 2017 | 19:42

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