Nangpai-Gosum II-Erstbesteiger Kobusch: „Sehr schwierig“
„Das Gefühl war mehr als überwältigend, an einem Ort zu stehen, den vor mir noch kein Mensch betreten hat“, schreibt Jost Kobusch über seine Erstbesteigung des 7296 Meter hohen Nangpai Gosum II im Osten Nepals. Wie berichtet, hatte der 25 Jahre alte Deutsche vor zwei Wochen den bis dahin vierthöchsten noch unbestiegenen Berg der Erde im Alleingang gemeistert. „Solche Besteigungen sind noch unverfälschter, echter Alpinismus“, schreibt mir Jost. „Das ist genau die Richtung die ich einschlagen möchte – denn ein Solo auf einer Route mit anderen Bergsteigern ist kein wirkliches Solo. Ich möchte Alpinismus in seiner reinsten Form genießen. Für mich ist das maximal minimalistisches Bergsteigen.“ Inzwischen hat Kobusch auch den Verlauf seiner Route bekanntgegeben, die er mir gegenüber mit „TD“ bewertete, also mit „sehr schwierig“ (TD steht im „International French Adjectival System“ (IFAS) für „Tres Difficile“ mit 65 bis 80 Grad steilen Eis- und Schneepassagen sowie Felskletterei im fünften und sechsten Grad). Er war mit einem sehr kleinen Team unterwegs: Seinem Koch Ngima, dessen Helfer Phurba und Kameramann Raphael Schardt, der laut Jost nur zu Beginn der Expedition einmal mit zum vorgeschoben Basislager kam, dann aber nur noch mit einem großen Teleobjektiv vom Basislager aus filmte.
Beinahe-Absturz
Er habe ursprünglich vorgehabt, über jene Route durch die Südwand aufzusteigen, auf der ein Team französischer Bergführer zwei Jahre in Folge gescheitert sei, berichtet Jost. Auf einer Höhe von etwa 6300 Metern wäre Kobusch beinahe aus einer Eisflanke abgestürzt. Die starke Sonneneinstrahlung hatte dazu geführt, dass die Eisschraube und das Eisgerät, mit denen er sich am Standplatz gesichert hatte, „in 20 Minuten ausgeschmolzen sind“. Lediglich ein kurz zuvor gerade mal „halb eingeschlagener Haken“ habe gehalten und ihm das Leben gerettet.
Schnee bis zur Hüfte
Jost stieg zurück ins Basislager und entschied sich für „ein leichtes und schnelles Solo“ auf einer anderen Route. Vom vorgeschobenen Basislager auf 5600 Metern aus erreichte der deutsche Bergsteiger nach jeweils einer Nacht in Lager 1 (6400 Meter) und Lager 2 (6840 Meter) am dritten Tag den höchsten Punkt des Nangpai Gosum II auf 7296 Metern. Auf dem letzten Stück, so Kobusch, habe er noch mal richtig beißen müssen: „Auf dem Plateau vor der Spitze traversierte ich 800 Meter und kämpfte mich durch fast taillentiefen Schnee bis zum Gipfel, den ich am 3. Oktober um 10:25 Uhr erreichte. Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 km/h machten meinen Aufenthalt an diesem unberührten Ort kurz.“ Die Erstbesteigung des Nangpai Gosum II, schreibt mir Jost, „ist für mich persönlich der Beginn von vielen weiteren Expeditionen in diesem Stil: No Support oberhalb des Basislagers, ganz alleine auf einer Route und natürlich (auch bei höheren Bergen) kein Flaschensauerstoff.“
Annapurna ohne Flaschensauerstoff
Für den Westfalen Kobusch – geboren in Bielefeld, wo die höchste Erhebung „Auf dem Polle“ kein Berg, sondern eine 320 Meter hoher Kuppe ist – war es der zweite große Erfolg seiner Höhenbergsteiger-Karriere. Im Frühjahr 2016 hatte Jost ohne Flaschensauerstoff seinen ersten Achttausender bestiegen, die Annapurna. Ein Jahr zuvor war Kobusch auf einen Schlag weltweit bekannt geworden. Der junge Deutsche hatte ein Video der Riesenlawine gedreht, die – ausgelöst durch das verheerende Erdbeben am 25. April 2015 – das Basislager auf der nepalesischen Seite des Mount Everest verwüstet hatte. 19 Menschen waren damals zu Füßen des Everest ums Leben gekommen.