Schachmatt am Gipfel der Annapurna
Es klingt wie ein Aprilscherz mit einmonatiger Verspätung. Bevor der Deutsche Jost Kobusch am 1. Mai – wie berichtet – auf den 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna stieg, spielte er nach eigenen Worten knapp unterhalb des höchsten Punktes mit dem israelischen Bergsteiger Nadav Ben-Yehuda eine Partie Schach. „Wir hatten zuvor während der Schlechtwetterphasen im Basislager täglich mindestens zwei Partien gegeneinander gespielt“, sagt Jost. Dabei sei die Idee zu einem Schach-Duell am Gipfel geboren worden. Nadav, der mit Flaschensauerstoff aufstieg, erreichte den höchsten Punkt knapp vor Jost, der ohne Atemmaske unterwegs war. „Als wir uns kurz unterhalb des Gipfels begegneten, habe ich ihm gesagt: Moment, wir müssen noch eine Runde Schach spielen“, erzählt mir der 23 Jahre alte Deutsche. „Wir haben auf meinem Smartphone gespielt, 20 Meter unterhalb des Gipfels.“
Einige ziemlich dumme Züge
Die Partie geriet zu einer Art Blitzschach. „Wir haben schnell, schnell gemacht. Nach sieben Minuten hat einer von uns beiden gewonnen.“ Wer, verrät Kobusch nicht. „Das ist Ehrensache.“ Schachspielen in extrem dünner Luft auf 8000 Metern, sagt Jost, sei in etwa so gewesen, „als würdest du versuchen, betrunken ein mathematisches Problem zu lösen: Slow-Motion-mäßig, manchmal auch mit ziemlich dummen Zügen.“ Kobusch will das Spiel als höchste jemals gespielte Schachpartie für das „Guinness-Buch der Rekorde“ anmelden. Ein US-Bergsteiger habe das Spiel gefilmt und könne es auch bezeugen.
Bergsteiger gesehen, wo keine waren
Für den 23-Jährigen war der Erfolg an der Annapurna der erste an einem Achttausender. „Bis zum Gipfel ist es mir relativ leicht gefallen, erst beim Abstieg habe ich Probleme bekommen“, erzählt Jost. Aufgrund der großen Kälte habe es am Vorabend ewig gedauert, Schnee zu schmelzen. „Zwei Stunden für anderthalb Liter Wasser. Und die habe ich noch geteilt. Also hatte ich nur 750 Milliliter für den gesamten Gipfeltag.“ Völlig dehydriert und erschöpft, habe er sogar einmal kurz halluziniert: „Ich sah vor mir Bergsteiger absteigen, die nicht da waren.“ Kobusch fing sich wieder und erreichte sicher das Basislager.
Vielleicht nächstes Jahr zum Lhotse
Zu Hause in Deutschland schmiedet er bereits wieder Achttausender-Pläne. „Heute dachte ich bei mir, ich habe ja noch ein Permit für den Lhotse, vielleicht könnte ich ja nächstes Jahr noch einmal dorthin gehen.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte er in Nepal den vierthöchsten Berg der Erde besteigen wollen. Das Basislager zu Füßen von Everest und Lhotse war jedoch am 25. April von einer riesigen Lawine getroffen worden, die das schwere Erdbeben am Siebentausender Pumori ausgelöst hatte. 19 Menschen waren ums Leben gekommen. Das Video (siehe unten), das Jost von der Lawine gedreht hatte, ging um die Welt. Als Fernziel hat sich Kobusch vorgenommen, alle 14 Achttausender zu besteigen, wenn möglich ohne Atemmaske. „Ich hoffe, dass ich auch die hohen Achttausender ohne Flaschensauerstoff besteigen kann.“
Sein Schachpartner von der Annapurna, Nadav Ben-Yehuda, hatte 2012 für Schlagzeilen gesorgt. Der Israeli war am Mount Everest 300 Meter vor dem Gipfel umgekehrt, um den türkischen Bergsteiger Aydin Imrak zu retten, der kollabiert war. Ben-Yehuda hatte Imrak hinunter nach Lager 4 am Südsattel geholfen und sich dabei selbst Erfrierungen zugezogen.