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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Vor Kibo-Expedition: Ab in die künstliche Höhe

Hypoxietraining daheim für den Kilimandscharo

Der Kilimandscharo ruft. In knapp drei Wochen werde ich zum höchsten Berg Afrikas aufbrechen. Natürlich möchte ich den Gipfel auf 5895 Meter Höhe erreichen. Aber nicht nur darum geht es bei der „Kilimanjaro Summit Challenge“. Die anderen 23 Teilnehmer der Expedition und ich werden auch an einem Forschungsprojekt der Philipps Universität Marburg zur Höhenkrankheit teilnehmen. Die Ärzte, die uns begleiten, werden täglich Blutproben nehmen und uns untersuchen. Auch psychologische Tests sind geplant. Das Risiko, am Kilimandscharo höhenkrank zu werden, ist ziemlich hoch.  Schließlich überwinden die Gipfelaspiranten innerhalb weniger Tage gut 4000 Höhenmeter. Rund 70 Prozent der Kibo-Touristen berichten anschließend über Symptome der akuten Höhenkrankheit.

Zu Hause dünne Luft schnuppern

Direkt nach dem Training: Sauerstoffsättigung 87 Prozent, fünf Minuten danach wieder 98 Prozent

Ich lebe in Köln auf rund 50 Meter Meereshöhe, die Alpen sind rund 600 Kilometer fern. Damit fehlt mir die Möglichkeit, mal eben einen Berg zu besteigen, um Höhenluft zu schnuppern. Schon vor früheren Expeditionen habe ich gute Erfahrungen mit Hypoxietraining gemacht, damals noch in speziellen Studios. Jetzt steht bei mir zu Hause ein Generator, mit dem ich gezielt einen Teil des Sauerstoffs aus der Luft filtern kann. Über eine Maske atme ich die sauerstoffärmere Luft ein und simuliere so eine größere Höhe. So kann ich nicht nur beim Sporttreiben und im Ruhezustand dünne Luft atmen, sondern sogar in einem speziellen kleinen Zelt „auf Höhe“ schlafen.

Thomas Huber, Jost Kobusch …

Inzwischen nutzen auch einige kommerzielle Expeditionsveranstalter solche Geräte, um ihren Kunden die Möglichkeit zu geben, sich vor einer Expedition zu akklimatisieren. Ich habe mein Gerät bei Höhenvorbereitung Markus Göbel ausgeliehen. Göbel, ein 41 Jahre alte Sportwissenschaftler, der in Sonthofen im Allgäu lebt, verleiht nicht nur die entsprechenden Geräte, sondern erstellt auch Trainingspläne. Zu seinen Kunden gehörten schon der deutsche Topkletterer Thomas Huber und Höhenbergsteiger Jost Kobusch (siehe Video unten).

Markus, man hat das Gefühl, dass Hypoxietraining richtig in Mode gekommen ist.

Es ist schon deutlich mehr geworden. Vor sechseinhalb Jahren habe ich mit zwei Geräten angefangen. Inzwischen erhalte ich immer mehr Anfragen. Die Reisen sind eben beliebt. Die einen haben noch nie etwas mit großer Höhe zu tun gehabt und sind froh, dass sie sich schon zu Hause darauf vorbereiten können. Die anderen haben schon Erfahrung mit dem Training gemacht und wissen, dass es ihnen hilft.

Was wird dem Körper beim Hypoxietraining eigentlich vorgegaukelt?

Im Prinzip dasselbe wie am echten  Berg. Dort liegen in der Luft die Sauerstoffmoleküle wegen des Druckverlustes weiter auseinander, und ich kann deswegen weniger Moleküle einatmen. Beim Hypoxiegerät filtert der Generator den Sauerstoff über eine Membran aus der Umgebungsluft heraus. Um eine Höhe von 4000 Metern zu simulieren, haben wir dann statt 21 Prozent nur noch 13 Prozent Sauerstoffgehalt. Die Moleküle fehlen also genau wie am echten Berg. Der Effekt ist sogar noch stärker, weil wir hier gegen normalen Umgebungsdruck anatmen müssen. Das heißt, die Sauerstoff-Sättigungswerte auf echten 4000 Metern sind etwas höher als in der künstlich erzeugten Höhe. Der Trainingseffekt ist also sogar stärker als auf der echten Höhe. 

Markus Göbel: Trainingseffekt ist sogar stärker als in echter Höhe

Merkt  sich der Körper das?

Er muss sich an den Sauerstoffmangel genauso anpassen wie am echten Berg. Ich kann nicht von jetzt auf gleich im Hypoxiezelt auf 4000 Metern schlafen, sondern steigere mich stufenweise. Ich beginne also z.B. bei 2300 Metern und erhöhe dann jede Nacht um 300 Meter, mache dann auch Pausen, um zu regenerieren. Der Körper speichert die Akklimatisierung zehn bis 14 Tage lang. Ich sehe zu, dass die Kunden das System wirklich bis zum Abflugtag nutzen, damit die Lücke nicht zu groß wird.

Kilimandscharo

Kommerzielle Veranstalter berichten, dass sich Expeditionen bis zu einer Länge von vier Wochen gut verkaufen lassen, bei längeren wird es immer problematischer. Erhöht dies den Bedarf an Hypoxietraining?

Genau darum geht es ja. Man nimmt die Zeit, die vor Ort fehlt, zu Hause vorweg. Für den Kilimandscharo mache ich z.B. zwei bis drei Wochen Höhentraining zu Hause und bin dann eine Woche dort. Dann komme ich insgesamt auf drei bis vier Wochen. Das ist nach höhenmedizinischen Erkenntnissen der Zeitraum, den ich brauche, um unbeschadet auf einen knapp 6000 Meter hohen Berg zu kommen – wenn man andere Faktoren wie mögliche Erkrankungen, Durchfall, Erkältung usw., oder auch das Wetter mal außen vor lässt. Rein auf die Höhe bezogen, würde ich sagen, dass Kunden, die im Vorfeld einer Kilimandscharo-Expedition ein Höhentraining absolviert haben, Erfolgschancen von 95 bis 98 Prozent haben.

Thomas Huber beim Hypoxie-Training

Wie wird diese Trainingsform von Profibergsteigern angenommen?

Ich hatte schon welche. (lacht) Aber es ist nicht so, dass sie mir die Tür einrennen. Ich glaube und finde es auch in Ordnung, dass sie damit nicht  hausieren gehen wollen. Es geht ja nicht darum, zu sagen, ich habe Höhentraining gemacht, also renne ich da jetzt mal schnell hoch. Es  ist einfach eine Trainingsmethode, um sich auf ein Bergsportziel vorzubereiten. Ich muss es nicht unbedingt durch die Gegend posaunen und dadurch vielleicht den Druck erhöhen, dass ich das Ziel unbedingt erreichen muss. Sie hängen es einfach nicht an die große Glocke, wenn sie es tun.

Markus Göbel: Profibergsteiger hängen es nicht an die große Glocke

Datum

28. Januar 2018 | 1:05

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