Steinschlag am Spantik
Es war knapp, verdammt knapp. „Wir hatten Riesenglück“, schreibt mir Bergführer Patrick z’Brun, der zu einem Schweizer Team gehörte, das in diesem Sommer am 7027 Meter hohen Spantik im Karakorum um Haaresbreite einer Tragödie entging. Am Tag nach ihrer Ankunft waren die Bergsteiger gerade dabei, ihr Basislager einzurichten. „Plötzlich rief jemand ‚Rock, rock‘“, berichtet Patrick. Ein großer Felsbrocken sei durch ein Couloir direkt auf das Basislager zugerast. Knapp 200 Meter vor dem Lager habe sich der Brocken in zwei Stücke geteilt, ohne dass diese die Richtung geändert hätten: „Zwei Küchenzelte und ein Personenzelt wurden regelrecht abrasiert. Die beiden Felsen rasten haarscharf an zwei Teilnehmern vorbei.“ Ein Expeditionsmitglied, so Patrick, habe sich gerade noch durch einen Sprung hinter eine kleine Mauer retten können, auf der das Küchenzelt gestanden habe. Ein acht Sekunden langes Video des Zwischenfalls dokumentiert, wieviel Glück die Gruppe hatte:
„Definitiv traumatisiert“
„Als Sofortmassnahme haben wir für jeden einzelnen einen Fluchtweg festgelegt und eine permanente Nachtwache bestimmt“, schreibt Patrick z‘Brun. „Während der Nacht kam es zu einem weiteren Felssturz, der jedoch keinen Schaden anrichtete. Die Leute (inkl. Träger) waren nun aber definitiv traumatisiert und weigerten sich teilweise, zurück in die Zelte zu gehen.“ Am nächsten Tag stiegen die Schweizer weiter auf, um sich ein Bild von der Gefahrenzone zu machen. „Vor Ort – auf ca. 4800 Metern – wurde uns bewusst, dass dies nur ein Vorspiel war. Dort oben lagen noch sehr viele Felsbrocken bereit, und wir entdeckten einige Risse“, berichtet der 56-Jährige, der 2008 den Mount Everest bestiegen hatte. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Ereignis passierte.“ Die Schweizer packten zusammen – und fanden später in der Nähe noch ein schönes Ersatzziel: Ihnen gelang die Erstbesteigung eines 5633 Meter hohen Gipfels, den sie „Swiss Sherpa Peak“ tauften.
Bislang ein „gutmütiger Berg“
Der Spantik – 1955 von den Deutschen Reinhard Diepen, Edward Reinhard und Joachim Tietze über die Südostseite erstbestiegen – ist seit Jahren ein beliebtes Ziel kommerzieller Expeditionen. Kari Kobler, dessen Unternehmen die Reise des Schweizer Teams in diesem Sommer organisiert hatte, bezeichnete den Siebentausender mir gegenüber als „bisher wirklich gutmütigen Berg“. Ob der Spantik auch künftig im Programm von „Kobler & Partner“ auftauchen wird, ist noch offen. Ein alternativer Standort für das Basislager und auch eine Routenvariante sollen geprüft werden.
Laut Patrick z’Brun wiesen einheimische Träger darauf hin, dass bis vor zehn Jahren das Basislager regelmäßig weiter unten auf dem Gletscher gestanden habe und dass noch früher die Bergsteiger auf einem östlich gelegenen Grat direkt nach Lager 1 aufgestiegen seien, um die Gefahrenzone zu umgehen.
Klimawandel lässt grüßen
Das Steinschlag-Risiko im Karakorum ist in den vergangenen Jahren gestiegen. „Es wird durch den Klimawandel allgemein immer mehr zum Problem“, bestätigt Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalters „Amical alpin“. „Bereiche, die vor einigen Jahren noch mit Schnee bedeckt waren, apern aus, und es kommt einfach mehr Schutt zum Vorschein.“
Jetzt gewarnt
In den drei Tagen vor der Ankunft am Spantik habe es zudem drei Tage lang „sehr heftig geregnet“, schreibt Patrick z’Brun. „Uns war aufgefallen (vor allem nach dem Steinschlag), dass überall im Basislager viele Steine herumlagen. Allzu viele Gedanken hatten wir uns aber nicht gemacht.“ Ab sofort jedoch, meint Patrick, könne niemand mehr sagen: ‚Man konnte dies nicht wissen.‘