Keine Tibet-Expeditionen im Herbst
China macht Tibet für den Rest des Jahres für Bergsteiger dicht. “Das stimmt”, bestätigt mir Dawa Steven Sherpa vom nepalesischen Expeditionsveranstalters Asian Trekking per Email. „Die chinesischen Behörden haben beschlossen, in diesem Herbst keine Permits (Besteigungsgenehmigungen) auszustellen, weil sie weitere seismische Aktivität in der Region befürchten und deswegen annehmen, dass die Berge in einem gefährlichen Zustand sein könnten.“ Zudem sei die Straße von Kathmandu über Kodari nach Tibet wegen der Schäden durch das verheerende Erdbeben im Frühjahr immer noch gesperrt. „Deshalb wäre es auch nicht möglich, Material und Logistik für die Expeditionen von Nepal nach Tibet zu transportieren“, schreibt Dawa Steven. Die China Tibet Mountaineering Association (CTMA) wolle erst im Frühjahr 2016 wieder Permits für die hohen Berge Tibets ausstellen.
Xi kommt
Auch der Schweizer Veranstalter Kari Kobler hat seine ursprünglich für Herbst geplanten Expeditionen zum Cho Oyu und zur Shishapangma aus dem Programm genommen. Neben den Erdbebenschäden an der Straße nach Tibet nennt mir Kari einen weiteren Grund dafür, dass China keine Permits ausstellt: „Der chinesische Staatspräsident besucht Tibet in den ersten zwei September-Wochen.“ Vor 50 Jahren, im September 1965, hatte China das zuvor besetzte Tibet zur „Autonomen Region“ erklärt. Mit einigen Veranstaltungen in Tibet feiert sich die chinesische Regierung selbst. Um mögliche Proteste von Tibetern im Keim zu ersticken, wird es wahrscheinlich ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften geben – erst recht, wenn Präsident Xi Jingping persönlich aufkreuzt. Ausländische Augenzeugen waren auch schon bei ähnlichen Anlässen in der Vergangenheit unerwünscht. Dies dürfte der Hauptgrund für die Absage aller Expeditionen sein, wie das Beispiel von International Mountain Guides (IMG) zeigt. Der US-Veranstalter hatte wegen der Folgen des Bebens in Nepal direkt über die tibetische Hauptstadt Lhasa zum Cho Oyu reisen wollen, erhielt aber unter Hinweis auf die Jubiläumsfeiern in Tibet ebenfalls kein Permit.
Ausweichziel Manaslu
„Aufgrund der derzeit brüchigen politischen Lage in Tibet können wir keinen garantierten Zugang unserer Expeditionen gewährleisten“, teilt auch der neuseeländische Veranstalter Himalayan Experience mit. Himex hat den Cho Oyu für kommenden Herbst gestrichen und durch eine Expedition zum Manaslu ersetzt. Der achthöchste Berg der Erde ist ein beliebtes Ausweichziel, wenn China die Grenze nach Tibet schließt. Schon im Herbst 2012 waren viele Veranstalter auf den Manaslu ausgewichen. Auch in diesem September und Oktober dürfte es im Basislager zu Füßen des „Bergs der Seele“ eng werden. Viele der westlichen Anbieter, darunter auch der deutsche Veranstalter Amical alpin, machen sich in der anstehenden Nach-Monsun-Zeit mit ihren Kunden auf den Weg zum Manaslu. Die Behörden Nepals haben trotz des Erdbebens im Frühjahr mit fast 9.000 registrierten Toten und über 22.000 Verletzten keine Bedenken, Permits für Achttausender-Expeditionen auszustellen.