Gesehen: 127 Hours
Ich gehöre noch zur Vor-Popcorn-Generation im Kino. In meiner Jugend gab es vor Beginn der Vorführung nur Eiskonfekt, und dafür fehlte uns in aller Regel das Geld. Heute gehört das aufdringliche Popcorn-Gekruspel und der penetrante Geruch dieser Süßigkeit unvermeidlich dazu. Vielleicht gehe ich deshalb so selten ins Lichtspieltheater (ein Wort, das die Popcorn-Mampfer wahrscheinlich gar nicht mehr kennen).
Gestern nun saß ich im Kino, um mir das Bergsteigerdrama „127 Hours“ anzuschauen. Eine Spätnachmittagsvorstellung, spärlich besucht. Die wenigen Zuschauer knabberten selbstverständlich Popcorn. Und unterhielten sich auch noch während des Films. Banausen!
Aron Ralston nach seinem Unfall
Es fiel mir deshalb zunächst ziemlich schwer, mich auf die Geschichte einzulassen, die über die Leinwand flimmerte: Der US-Kletterer Aron Ralston macht im April 2003 eine Eintagestour zum Blue-John-Canyon in Utah. Beim Klettern rutscht er ab. Dabei löst sich ein tonnenschwerer Felsblock, der seinen Unterarm abquetscht. Der damals 27-Jährige sitzt in der Falle: Niemand weiß, wo genau er klettern wollte. Kein Handy, um Hilfe zu holen. Fünf Tage und eiskalte Nächte lang versucht Aron alles Mögliche, um sich aus der misslichen Lage zu befreien – ohne Erfolg. Während dieser Zeit filmt er sich immer wieder mit einer kleinen Videokamera. Als sein Wasservorrat zur Neige geht und er halluziniert, greift Aron zum Äußersten: Er bricht Elle und Speiche und amputiert mit einem kleinen stumpfen Messer seinen Unterarm. Anschließend seilt er sich mit blutendem Stumpf aus dem Canyon ab und macht sich auf den Weg zurück Richtung Zivilisation.
Nichts für schwach Besaitete
2005 hatte ich Arons Buch „Im Canyon“ gelesen, das mich beeindruckt hatte. Der Film bleibt nahe an der Wirklichkeit. Viel mehr als eine Geschichte über das Bergsteigen erzählt er eine Geschichte über den unbändigen Willen zu überleben. Ich war skeptisch, ob es wirklich einen anderthalbstündigen Kinofilm tragen würde, wenn die Hauptfigur ständig an derselben Stelle feststeckt. Doch Regisseur Danny Boyle, der zuvor den mit acht Oscars gekrönten Film „Slumdog Millionaire“ gedreht hatte, ist ein Meister seines Fachs. Genauso wie der großartige James Franco, der für seine Rolle als Aron wirklich den Oscar als bester Hauptdarsteller verdient.
James Franco als Aran in „127 Hours“
Der Film, den ich euch wärmstens empfehle, ist nichts für schwach Besaitete. In der Szene, in der Aron seine Knochen bricht, zuckte ich ebenso zusammen wie kurz darauf, als er seine Operation mit dem stumpfen Messer beginnt. Das Popcorn-Gekruspel in den Reihen hinter mir hörte plötzlich auf, das Geplappere auch. Wie wohltuend! Schade nur, dass dafür immer erst Blut fließen muss.
P.S. Aron Ralston besteigt, mit Armprothese, wieder Berge. 2008 etwa stand er auf dem Gipfel des Denali, auch Mount McKinley genannt, des mit 6184 Metern höchsten Bergs Nordamerikas – nach einer Solo-Besteigung.